Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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Auftauchen aus dem Wasser <strong>im</strong> Rahmen des Taufritus <strong>und</strong> dem Todes- <strong>und</strong><br />
Auferstehungsschicksals Jesu Christi. Auf diese Weise ist durch die Annahme, in Taufe an<br />
diesem Schicksal Jesu Christi teilzuhaben, <strong>und</strong> durch die rituelle Wiederholung „eine zum<br />
Ritus geronnene kognitive Konstruktion, eine sinnstiftende Verknüpfung verschiedener<br />
Bedeutungseinheiten [entstanden].“ 303 Auch die anderen beiden Evidenzquellen sind <strong>im</strong><br />
Geschehen vorhanden: Die Evidenz durch soziale Bestätigung ist gegeben durch die<br />
regelmäßigen Zusammenkünfte der Gemeinde zur Eucharistiefeier, bei denen rituelle Elemente<br />
vollzogen wurden, die den Gemeindemitgliedern auch ein emotionales Erleben<br />
ermöglichten. 304<br />
Das eben erläuterte Konstruktionsmuster ist auf fast alle urchristlichen Reden anwendbar.<br />
Lampe überträgt es zum Beispiel auch relativ ausführlich auf das zentrale Axiom des<br />
christlichen Glaubens: Die Rede von Jesu Auferstehung bzw. Auferweckung. Hier weist er<br />
wiederum die vier Evidenzquellen nach: die sinnliche Wahrnehmung (die „Visionen“ seiner<br />
Gefolgsleute), die kognitive Verknüpfung (Jesus ist verloren, hatte allerdings einen Gott<br />
verkündet, der sich um die Verlorenen kümmert, teilweise bereits in der Gegenwart; könnte es<br />
also sein, dass in diesem Todesgeschehen Jesu sich bereits Gottesherrschaft manifestiert?;<br />
Lampe erinnert auch an die bereits <strong>im</strong> späten Judentum vorhandene Vorstellung einer<br />
Auferstehung der Toten), die soziale Bestätigung (die Wiederholung der visionären Erlebnisse)<br />
<strong>und</strong> das positive emotionale Erleben (die Verwandlung von Trauer in Freude <strong>und</strong> von Klage in<br />
Lobpreis). 305<br />
Lampe geht bei diesem dritten Beispiel nun aber noch einen Schritt weiter: Die<br />
Ostererfahrungen werden in der <strong>Theologie</strong> unterschiedlich bewertet. Während die einen darin<br />
rezeptive Visionen sehen, vertreten andere die Theorie von produktiven Visionen. Die Frage<br />
lautet also: Hat sich in den Visionen ein tatsächlich auferstandener Christus gezeigt, oder sind<br />
diese Visionen als innerpsychische Prozesse zu verstehen? In dieser Streitfrage ist die<br />
konstruktivistische Sichtweise Lampe zufolge äußerst hilfreich: „Aus konstruktivistischer Sicht<br />
ist es sinnlos, sich unter Historikern zu streiten, ob die urchristlichen Ostererfahrungen<br />
rezeptive oder produktive Visionen gewesen sein mögen [...]. Solche Spekulationen <strong>und</strong><br />
Streitereien sind aus konstruktivistisch-epistemologischer Sicht sinnlos <strong>und</strong> angesichts der<br />
außerhalb der <strong>Theologie</strong> ablaufenden Debatte über den Wirklichkeitsbegriff auch obsolet.“<br />
Der aktuelle Streit, ob es sich um rezeptive oder produktive Visionen handelt, ist für Lampe<br />
303 LAMPE 1998, 28.<br />
304 Vgl. LAMPE 1998, 27-29.<br />
305 Vgl. LAMPE 1997, 356-359.<br />
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