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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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adäquater als eine andere anzusehen <strong>und</strong> ist es auch nicht möglich, eine Kultur aus der Sicht<br />

einer anderen Kultur als erfolglos zu bezeichnen. 117<br />

Maturana zufolge sollte eine Gesellschaftsform angestrebt werden, in der keine systematische<br />

Unterdrückung stattfindet <strong>und</strong> das Individuum nicht negiert wird. Er geht sogar so weit, die<br />

Auflösung aller Institutionen zu fordern, die den Menschen dem Menschen unterordnen.<br />

Demjenigen, der solche Ziele für utopisch hält, entgegnet er: Es gibt keine historischen, keine<br />

sozialen, keine ökonomischen Gründe, die dem Erreichen dieses Zieles prinzipiell <strong>im</strong> Weg<br />

stehen.<br />

„Es ist vielmehr unsere Unwilligkeit, auf unsere kulturell erlernte <strong>und</strong> zutiefst genossene Lust zu<br />

verzichten, andere Menschen zu zwingen, unsere angebliche Überlegenheit zu akzeptieren. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong>e verraten all die endlosen Diskussionen über die Mittel, ein best<strong>im</strong>mtes Ziel zu<br />

erreichen, lediglich den Mangel an Einsatz, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen.“ 118<br />

Maturana spricht sich in aller Deutlichkeit für die Einzigartigkeit <strong>und</strong> Unentbehrlichkeit des<br />

Individuums aus. Unentbehrlich ist ihm zufolge aber nicht nur das Individuum an sich, sondern<br />

auch seine Interaktion mit anderen Individuen. „Denn konsensuelle Realität kann der<br />

Beobachter nur mit anderen Beobachtern erzeugen, <strong>und</strong> dieser konsensuelle Bereich ist die<br />

Gr<strong>und</strong>lage aller weiterführenden Konsensbildungen höherer Ordnung, wie sie durch<br />

sprachliche Kommunikation erreicht werden.“ 119 Es steht jedenfalls fest, dass die Position des<br />

<strong>Konstruktivismus</strong> einen erkenntnistheoretischen <strong>und</strong> sozialen Pluralismus <strong>im</strong>pliziert <strong>und</strong> ein<br />

neues Menschenbild bzw. Individuumsverständnis mit sich bringt. Geht man davon aus, dass<br />

ein Erkennen der objektiven Realität nicht möglich ist <strong>und</strong> es daher verschiedene<br />

Wirklichkeitskonstruktionen gibt, muss man akzeptieren, dass es zwischen den einzelnen<br />

Wirklichkeiten erhebliche Unterschiede gibt – während man, wenn man Erkenntnis als eine<br />

1:1-Entsprechung einer allen objektiv zugänglichen Realität versteht, von einer gewissen<br />

Uniformität der erkennenden Subjekte ausgehen kann/muss. Diese Unterschiedlichkeit der<br />

Wirklichkeitskonstruktionen erfordert einen verantwortungsbewussten Umgang. 120 Dazu<br />

gehört in wesentlichem Maß die Anerkennung des Gleichheitspostulats, ohne das der<br />

Pluralismus nur ein Gedankenspiel bleibt. 121<br />

117 Vgl. SCHMIDT 1987a, 47.<br />

118 MATURANA 1982, 313.<br />

119 SCHMIDT 1987a, 48.<br />

120 Vgl. HEJL 1995, 34-39.<br />

121 Vgl. HEJL 1995, 53.<br />

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