Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
werden <strong>im</strong> <strong>Konstruktivismus</strong> vermieden. Im Anschluss an Fresacher könnte man sehr verkürzt<br />
sagen: „Es gibt Realität, aber wir haben keinen (unmittelbaren) Zugriff auf sie.“ Der<br />
Konstruktivist behauptet also nicht, dass es keine objektive Wirklichkeit gibt. Er sagt lediglich,<br />
dass es keine gibt, zu der der Mensch durch sein Erkenntnisvermögen Zugang hat. In diesem<br />
Sinne ist auch die Formulierung Peter Lampes zu verstehen: „Die Wirklichkeit ist ein<br />
Konstrukt des Gehirns.“ Wie wir in der Besprechung der Ausführungen von Gerhard Roth<br />
versucht haben darzulegen, gibt es für diese These ja auch starke neurobiologische Gründe. 104<br />
B. Fresacher schreibt, der <strong>Konstruktivismus</strong> situiere sich zwischen Positivismus <strong>und</strong><br />
Relativismus. Genau genommen ist aber der <strong>Konstruktivismus</strong>, gleich gültig wie „radikal“ er<br />
nun sei, insofern eine relativistische Theorie als dass die Erkenntnis in Beziehung (Relation)<br />
zum menschlichen Verstand gesehen wird. Jedenfalls ist der <strong>Konstruktivismus</strong> deutlich<br />
abzugrenzen vom Positivismus (Es gibt eine objektive Wirklichkeit, die der menschlichen<br />
Erkenntnis als solche zugänglich ist). 105 Der <strong>Konstruktivismus</strong> geht aber andererseits über<br />
relativistische (<strong>und</strong> skeptizistische) Positionen hinaus, indem er nachzuweisen versucht, „dass<br />
gerade die Subjektabhängigkeit unserer Wirklichkeitskonstruktionen unser erfolgreiches<br />
Handeln in einer sozial akzeptierten <strong>und</strong> scheinbar objektiven physikalischen Welt erklären<br />
kann.“ 106 Die Konstruktivisten zeigen auf, dass es auch trotz der Nichterkennbarkeit des<br />
Seienden an sich möglich ist, das Leben aktiv zu gestalten <strong>und</strong> insbesondere auch Wissenschaft<br />
zu betreiben. Allerdings findet in Bezug auf die wissenschaftliche Forschung eine<br />
Umorientierung statt – von der Forschung nach wahrem (objektivem) auf Forschung nach<br />
brauchbarem (viablen) Wissen, von Deskriptivität auf Problemlösungskapazität, von<br />
Objektivität auf Intersubjektivität. Schmidt zufolge werden auf diese Weise „eine Reihe von<br />
hartnäckigen traditionellen erkenntnistheoretischen Problemen (wie z.B. Verifikation <strong>und</strong><br />
Falsifikation [...]) erfolgreich zum Verschwinden [gebracht]“ 107 .<br />
104 Vgl. LAMPE 1999, 224.<br />
105 Andererseits scheint der Relativismus nach philosophischer Tradition allerdings davon auszugehen, dass<br />
irgendeine Form der Letztbegründung zumindest theoretisch denkbar ist – was rein konstruktivistisch nicht<br />
möglich ist. Vgl. VON GLASERSFELD 1987, 409.<br />
106 SCHMIDT 1987b, 8.<br />
107 SCHMIDT 1987a, 43. Von Glasersfeld betont <strong>im</strong>mer wieder, dass es sich be<strong>im</strong> <strong>Konstruktivismus</strong> um ein Modell<br />
handelt, das auf seine Nützlichkeit, nicht auf seine <strong>Wahrheit</strong> untersucht werden soll.<br />
31