Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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Diakonats- <strong>und</strong> Priesterweihe, die Übertragung der Gemeindeleitung an Laien<br />
(Pastoralreferenten), der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die Einstellung<br />
gegenüber der Sexualität, das Verhältnis zur Demokratie (gelegentlich wird sogar von einem<br />
antidemokratischen Prozess in der katholischen Kirche gesprochen), die Rede über die<br />
Ökumene usw. Der Rahmen der vorliegenden Arbeit erlaubt es nicht, auf alle diese Aspekte,<br />
die man sicherlich nuanciert betrachten muss, detailliert einzugehen. Hier sei nur Folgendes<br />
festgehalten: Bei den angeführten Fragen handelt es sich kaum um Kernaspekte des<br />
katholischen Glaubens. So sind die meisten, wie <strong>im</strong>mer wieder Theologen versucht haben<br />
aufzuzeigen, dogmatisch nicht zwingend. Eine Öffnung bzw. eine Weiterentwicklung wäre in<br />
vielen Fragen möglich. Solche Reformvorschläge werden aber vom kirchlichen Lehramt oft<br />
zurückgewiesen. Exemplarisch sei hier die Frage des Frauenpriestertums genannt, um die es<br />
einen langen theologischen Streit gab, den Papst Johannes Paul II. in einem Apostolischen<br />
Schreiben durch ein Machtwort beendet hat, indem er feststellt, dass eine Priesterweihe für<br />
Frauen definitiv für alle Zeiten unmöglich sei <strong>und</strong> aus diesem Gr<strong>und</strong>e jedwede Diskussion über<br />
dieses Thema eingestellt werden solle. 232<br />
Auch Erdmann zufolge ist die erstarrte kirchliche Lehre sowie der Anspruch der<br />
„Glaubenshüter“ auf den Besitz absoluter <strong>Wahrheit</strong>en ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für die<br />
zahlreichen Kirchenaustritte, für „den fatalen Zustand unserer <strong>Theologie</strong> sowie unserer<br />
Kirchen“ <strong>und</strong> für die „zunehmende Sprachlosigkeit in unserer Gesellschaft“. 233 Die Kraft <strong>und</strong><br />
Bedeutung von Religion sei aber nicht auf absoluten <strong>Wahrheit</strong>en begründet, sondern auf Liebe,<br />
Hoffnung <strong>und</strong> Vertrauen. 234 Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass der <strong>Konstruktivismus</strong> es<br />
erlaubt, Totalitätsansprüche zurückzuweisen oder, konstruktivistisch gesprochen, zu<br />
dekonstruieren, indem er zu verstehen gibt, dass jeder Normierungs- <strong>und</strong> Privilegierungsakt ein<br />
konstruktionaler Prozess war/ist. 235<br />
232 Vgl. JOHANNES PAUL II. 1994, 6: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die<br />
göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu<br />
stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, <strong>und</strong> dass<br />
sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“<br />
233 ERDMANN 1999, 93.<br />
234 Vgl. ERDMANN 1999, 93. Ähnlich auch, wenn auch etwas vorsichtiger, LONERGAN, 35: „Wenn heute bei den<br />
Katholiken eine weitverbreitete Entfremdung von den Dogmen festzustellen ist, so ist diese Tatsache nicht ohne<br />
Zusammenhang mit einer vorangegangenen Einseitigkeit zu verstehen, die die Objektivität der <strong>Wahrheit</strong> so sehr<br />
betonte, dass sie darüber den Menschen <strong>und</strong> seine Bedürfnisse außer acht ließ.“<br />
235 Vgl. KLEIN 2003, 396; 401. In diesem Zusammenhang vermutet Armin Kreiner, dass die Attraktivität der<br />
relativistischen Theorien hauptsächlich begründet liegt in der Vermeidung von Absolutismus, Intoleranz,<br />
Arroganz, Ethnozentrismus, die mit einem objektiven <strong>Wahrheit</strong>sverständnis verb<strong>und</strong>en zu sein scheinen. Er ist<br />
allerdings der Meinung, dass hier eine Verwechslung vorliegt: Man müsse unterscheiden zwischen der<br />
Befürwortung eines objektiven <strong>und</strong> absoluten <strong>Wahrheit</strong>sbegriffs einerseits <strong>und</strong> dem Anspruch, <strong>im</strong> Besitz der<br />
objektiven <strong>und</strong> absoluten <strong>Wahrheit</strong> zu sein andererseits. Nur die Verbindung von beiden Annahmen sei unheilvoll<br />
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