09.06.2014 Aufrufe

Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

die Geschichte beweist, über ‚trial and error’. Dabei war ‚error’ niemals nur falsch, sondern ein<br />

unerlässlicher Schritt zu besserer Erkenntnis.“ 223<br />

Im Rahmen einer Konfrontation des <strong>Konstruktivismus</strong> mit dem katholischen<br />

Dogmenverständnis scheint es uns darüber hinaus wichtig, dieses Dogmenverständnis mit den<br />

Ergebnissen der neueren Gehirnforschung, auf die sich ja auch der <strong>Konstruktivismus</strong><br />

wesentlich stützt, zu konfrontieren. Hier gilt es zunächst anzumerken, dass die zentralen<br />

Dogmen sowie die anderen Glaubensaussagen, denen sich die katholische Dogmatik<br />

verpflichtet fühlt, zu einer Zeit entstanden sind, in der man von der modernen<br />

Naturwissenschaft, geschweige denn von der Gehirnforschung, noch keine Ahnung hatte.<br />

Heute wirkt allerdings ein Festhalten an Positionen, die nicht hinterfragt werden dürfen,<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich unwissenschaftlich <strong>und</strong> deshalb nicht haltbar. 224 Es gab deswegen in den letzten<br />

Jahrzehnten etliche Versuche, die Historizität <strong>und</strong> insofern die Vorläufigkeit der Dogmen<br />

etwas stärker hervorzuheben (z.B. Henri de Lubac). Neuner weist darauf hin, dass auch der<br />

Begriff „Dogmatik“ zu einer Zeit entstanden ist, als man unter dem Wort „Dogma“ noch etwas<br />

ganz anderes verstand. Dieser Begriff „wurde in der früh-neuzeitlichen Medizin <strong>und</strong> in der<br />

Jurisprudenz entwickelt <strong>und</strong> besagte dort die Interpretation, die systematische Ordnung <strong>und</strong> die<br />

Weiterentwicklung des überkommenen Wissens.“ 225 Dogmen sind ihm zufolge „Versuche [...],<br />

die Glaubenserfahrung für die jeweilige Zeit zu formulieren. Sie bilden eine Synthese zwischen<br />

der überkommenen Botschaft <strong>und</strong> den aktuellen Herausforderungen, auf die die christliche<br />

Kirche eine Antwort zu geben hatte. [...] Sie müssen so interpretiert werden, dass sie wiederum<br />

Erfahrungen vermitteln <strong>und</strong> eröffnen.“ 226 Neuner sieht die Aufgabe der <strong>Theologie</strong> darin,<br />

„schöpferisch eine Antwort aus überkommenem Glauben <strong>und</strong> neuer Herausforderung zu<br />

formulieren.“ 227 Es könne nicht sein, dass auf neue Fragestellungen mit alten, als<br />

unveränderlich <strong>und</strong> ewig gültig geltender Überzeugungen geantwortet werde. Der Blick auf die<br />

Kirchengeschichte zeige übrigens – <strong>und</strong> hier unterscheidet sich seine Einschätzung wohl ein<br />

wenig von derjenigen Erdmanns –, „dass die christliche Kirche in großer Variationsbreite fähig<br />

war, sich auf neue Fragestellungen einzulassen, sich mit ihnen schöpferisch auseinander zu<br />

setzen <strong>und</strong> so zu gültigen Antworten zu kommen.“ 228<br />

223 NEUNER 2000b, 236.<br />

224 Vgl. NEUNER 2000b, 201.<br />

225 NEUNER 2000b, 201.<br />

226 NEUNER 2000b, 202.<br />

227 NEUNER 2000b, 203.<br />

228 NEUNER 2000b, 204.<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!