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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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so unterstreicht Lampe, Differenzen zwischen verschiedenen theologischen Entwürfen<br />

<strong>und</strong> Dogmatiken. Aus diesem Gr<strong>und</strong> waren bereits die frühen Christen davon<br />

überzeugt, dass kein theologisches Konzept die Realität Gottes gänzlich wiedergibt.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> schlug Augustinus in seinen „Bekenntnissen“ vor, theologisches<br />

Reden nur in doxologischer, d.h. anredender Gebetssprache, nicht aber in Aussageform<br />

zu praktizieren. Auch Paulus war sich der Vorläufigkeit des theologischen Redens<br />

bewusst. <strong>Theologie</strong> konnte für ihn nie Absolutheit beanspruchen, sondern war ein<br />

Reden „mit Zagen <strong>und</strong> Zittern“ (1 Kor 2,3), das fragmentarisch <strong>und</strong> zerstückelt war.<br />

Lampe zufolge waren sich die jüdische, die christliche <strong>und</strong> die islamische Religion<br />

wenigstens latent seit jeher bewusst, dass ihre Gottesaussagen lediglich Gottesmodelle<br />

darstellten, die nicht den Anspruch erheben konnten, Gottes Sein abzubilden. Seit jeher<br />

wird unterstrichen, dass Gott bzw. JHWH oder Allah letztlich nicht zu erkennen <strong>und</strong><br />

nicht zu begreifen ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> gibt es in den drei Religionen ein Abbild-<br />

Verbot. 221<br />

Im nächsten Abschnitt möchten wir uns spezifischer den Dogmen zuwenden, denen sich die<br />

<strong>Theologie</strong> verpflichtet fühlt.<br />

4.3.4 <strong>Konstruktivismus</strong> <strong>und</strong> Dogmen<br />

Oben haben wir versucht, darzulegen, dass der <strong>Konstruktivismus</strong> das Verhältnis zwischen der<br />

Erkenntnis <strong>und</strong> der Realität durch das Prinzip der Viabilität definiert. Entscheidend ist die<br />

lebenspraktische Brauchbarkeit der Erkenntnisse. Zentral ist die Ansicht, dass das „Durchkommen“<br />

(es sei erinnert an das Beispiel des Siebes oder des Steuermannes) keinerlei<br />

ontologischen Rückschlüsse zulässt auf das, durch was man durchgekommen ist. So kann man<br />

sagen, dass das Konzept „trial and error“, das Karl Popper zur Gr<strong>und</strong>lage wissenschaftlicher<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlicher Problemlösungen erklärt hat, auch auf den <strong>Konstruktivismus</strong> zutrifft. 222<br />

Der Dogmatiker Peter Neuner unterstreicht, dass dieses Konzept des trial and error auch die<br />

Dogmengeschichte best<strong>im</strong>mt hat. „Auch die Klärungsprozesse früherer Epochen verliefen, wie<br />

221 Vgl. LAMPE 2006, 88-91. Es sei angemerkt, dass die Nicht-Erkennbarkeit einer transzendenten, über die Welt<br />

hinausgehenden Wirklichkeit auch nicht <strong>im</strong>pliziert, dass man sich diese nicht vorstellen darf. In Bezug auf die<br />

diversen Gottesbilder gilt, wie bereits erwähnt, das Kriterium der Viabilität. Erdmann ist davon überzeugt, dass <strong>im</strong><br />

Laufe der Kirchengeschichte viable Aussagen über die transzendente Wirklichkeit „Gott“ gemacht worden sind –<br />

wobei er in erster Linie an die großen Mystiker denkt. Vgl. ERDMANN 1999, 98.<br />

222 Vgl. KLEIN 2003, 101.<br />

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