Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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Lerncharakter der Schüler Rechnung getragen werden kann. Diese Erkenntnis ist allerdings<br />
nicht erst mit dem <strong>Konstruktivismus</strong> in die Religionspädagogik eingedrungen. Schon seit<br />
einigen Jahrzehnten wird in der religionspädagogischen Literatur viel von „schülerzentriertem<br />
Lernen“, „Projektunterricht“, „handlungsorientiertem Unterricht“, individualisiertem Lernen in<br />
„Freiarbeit“, „entdeckendem Lernen“, „autonomem Lernen“, „eigenverantwortlichem Lernen“<br />
u.v.a. gesprochen. Auch wenn die einzelnen Konzepte teilweise mit konkreten Autoren<br />
verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> sich durchaus unterscheiden, so liegt ihnen doch eine gemeinsame Idee<br />
zugr<strong>und</strong>e: ein subjektzentrierter Unterricht, bei dem die Konstruktionalität des Lernprozesses<br />
<strong>und</strong> die Autonomie des Schülers ernst genommen wird. Mendl weist zu Recht darauf hin, dass<br />
sich in diesem Punkt schon seit längerem ein Wechsel vollzogen hat: ein Wechsel von der<br />
Lernzielorientierung hin zum lernenden Subjekt, von der Lernprodukt- zur Lernprozess-<br />
Orientierung (Niederschlag: Formulierung der Lernziele in Verb- statt in Substantivform).<br />
Dieser Wechsel ist allerdings erst <strong>im</strong> Nachhinein <strong>im</strong> wissenschaftlichen Diskurs explizit unter<br />
dem Begriff des <strong>Konstruktivismus</strong> thematisiert worden. Der <strong>Konstruktivismus</strong> ist gleichsam als<br />
viable Lerntheorie in die Pädagogik eingeführt worden als theoretische Untermauerung einer<br />
bereits bestehenden Praxis. Insofern hat auf dem Gebiet der Pädagogik die Praxis die Theorie<br />
regelrecht überrollt. 337<br />
Der <strong>Konstruktivismus</strong> hat über die methodischen Gesichtspunkte hinaus auch Konsequenzen<br />
für den Inhalt <strong>und</strong> das Ziel des Religionsunterrichts, d.h. auf den Unterrichtsstoff <strong>und</strong> auf das<br />
Selbstverständnis des <strong>Religionslehrer</strong>s. Wenn der Lehrer nicht mehr der Instruktor, sondern<br />
„Hintergr<strong>und</strong>lehrer“ ist, bedeutet dies auch, dass er seine persönliche Überzeugung <strong>im</strong><br />
„Hintergr<strong>und</strong>“ behält, indem er sich nicht als Ziel setzt, die Schüler auf eine katecheseartige<br />
Weise zu instruieren oder bekehren zu wollen bzw. best<strong>im</strong>mte Antworten als die einzig<br />
richtigen auszuweisen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in<br />
Deutschland bereits die Würzburger Synode (1974) sich unmissverständlich von einer<br />
katechetischen Konzeption des schulischen Religionsunterrichts verabschiedet hat, aus der<br />
Überzeugung heraus, dass kein Schüler in der Schule zu religiösen Handlungen, Vollzügen <strong>und</strong><br />
Erfahrungen verpflichtet werden darf, da dies die Begründung der Existenz dieses Fachs <strong>im</strong><br />
Fächerkanon der staatlichen Schulen untergraben würde. Die Synode betont, dass Inhalt <strong>und</strong><br />
Ziel des schulischen Religionsunterricht nicht der religiöse Vollzug sein kann, sondern<br />
vielmehr verantwortliches Denken <strong>und</strong> Handeln <strong>im</strong> Hinblick auf Religion <strong>und</strong> Glauben<br />
anvisiert werden soll, <strong>und</strong> insofern die Befähigung der Schüler, verstehen zu lernen, worum es<br />
337 Vgl. MENDL 2002, 173.<br />
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