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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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5. KONSEQUENZEN FÜR DIE PRAKTISCHE THEOLOGIE<br />

5.1 Gr<strong>und</strong>sätzliche Bemerkungen<br />

In dieser Arbeit haben wir uns bisher vorwiegend mit theoretischen Fragen befasst. Wir haben<br />

unterstrichen, wie wichtig es ist, dass die <strong>Theologie</strong> sich dem <strong>Konstruktivismus</strong> öffnet. Eine<br />

verstärkte Rezeption des <strong>Konstruktivismus</strong> in der systematischen <strong>Theologie</strong> hat natürlich auch<br />

Auswirkungen auf dem Gebiet der praktischen <strong>Theologie</strong>. Mit zwei Unterdisziplinen der<br />

praktischen <strong>Theologie</strong> möchten wir uns <strong>im</strong> Folgenden genauer befassen: der Seelsorge<br />

(Po<strong>im</strong>enik / Pastoral) <strong>und</strong> der Religionspädagogik. Gleich zu Beginn sei festgestellt, dass das,<br />

was für die systematische <strong>Theologie</strong> gilt, auch in Bezug auf die praktische <strong>Theologie</strong> seine<br />

Richtigkeit hat: Der <strong>Konstruktivismus</strong> wird nur zögerlich rezipiert. Theoretische<br />

Auseinandersetzungen zwischen praktischer <strong>Theologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Konstruktivismus</strong> findet man<br />

selten.<br />

5.2. Konsequenzen für die Seelsorge<br />

Wie könnte eine konstruktivistische Seelsorge aussehen? Von Hermann Steinkamp stammt<br />

eine Monographie mit dem programmatischen Titel „Seelsorge als Anstiftung zur<br />

Selbstsorge“: Seelsorge muss dem Einzelnen helfen, seine „eigene <strong>Wahrheit</strong>“ zu finden; dazu<br />

ermutigen, dass Menschen untereinander ihre „<strong>Wahrheit</strong>en“ austauschen; die Selbstständigkeit<br />

von Gruppen <strong>und</strong> Gemeinschaften fördern. Seelsorge muss also Assistenz sein, nicht<br />

Machtausübung. Ermöglichung, nicht Kontrolle. 330 Der Seelsorger muss auch wissen, dass er<br />

<strong>im</strong>mer Beobachter ist – nicht ein außenstehender, sondern ein teilnehmender,<br />

mitkonstruierender Beobachter, der allerdings keine fertigen Rezepte anzubieten hat, <strong>und</strong><br />

deshalb als Mitforschender möglichst non-direktiv arbeiten <strong>und</strong> bereit sein sollte, seine eigene<br />

Sicht regelmäßig zu korrigieren. 331 Da jeder Mensch ein operational geschlossenes <strong>und</strong><br />

strukturdeterminiertes System ist, kann der Seelsorger den Klienten also nicht „manipulieren“,<br />

ihn nicht in eine best<strong>im</strong>mte Richtung steuern, sondern <strong>im</strong>mer nur dessen „Selbststeuerung“, die<br />

Vergrößerung seiner Fähigkeit der Selbstorganisation anvisieren, indem er seine Autonomie<br />

ernst n<strong>im</strong>mt. Insofern kann er seine Einflussnahme auf den anderen nie genug unterschätzen. 332<br />

Der Seelsorger kann lediglich Anregungen geben, auf die sein Klient reagiert, wobei der<br />

330 Vgl. STEINKAMP 2005, 83-89.<br />

331 Vgl. AMMERMANN 1994, 19; 260.<br />

332 Vgl. WALLICH 1999, 213-215.<br />

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