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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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c) die soziale Bestätigung: Man verlässt sich auf das Urteil von Anderen,<br />

vornehmlich von Experten.<br />

d) das emotionale Erleben: Prospektive Erwartungen oder retrospektive<br />

Interpretationen rufen Gefühle hervor. Sind diese positiv, stellt sich eher<br />

Plausibilität ein. Lampe zufolge darf die Rolle des Emotionalen bei<br />

Wirklichkeitskonstruktionen nicht unterschätzt werden. Er weist in diesem<br />

Zusammenhang darauf hin, dass etwa die Vorstellung, dass Gott durch ein<br />

Kreuz Heil gebracht hat, in der Antike Abscheu hervorgerufen hat, <strong>und</strong><br />

diese Lehre deshalb für viele Menschen in der Antike unplausibel war. 295<br />

• Nach der axiomatischen Setzung wird der neue Kontext entfaltet. Dies ist nur<br />

möglich, wenn zumindest die zwei ersten Evidenzquellen – die sinnliche<br />

Wahrnehmung <strong>und</strong> die kognitive Konstruktion – nicht versiegen. 296<br />

Lampe wendet dieses Konstruktionsmuster, so behaupten wir <strong>im</strong> Anschluss an Mendl, auf eine<br />

durchaus innovative Art <strong>und</strong> Weise auf das Gebiet der neutestamentlichen Exegese an, so zum<br />

Beispiel auf die jesuanische Gleichniserzählung, auf die Rede von der „Neuschöpfung des<br />

Menschen“ oder auf das zentrale Axiom des christlichen Glaubens: Jesu Auferweckung von<br />

den Toten.<br />

In Lampes Augen war Jesus ein „Konstrukteur neuer Wirklichkeit“ 297 , da er den Menschen<br />

eine Wirklichkeit (Gottes) vermitteln wollte, die <strong>im</strong> Gegensatz zu den damaligen Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> zur damaligen Erlebniswelt stand, <strong>und</strong> die eine Entscheidungssituation herbeiführte (ein<br />

bedingungslos liebender, barmherziger <strong>und</strong> fürsorgender Gott, das Anbrechen der<br />

Gottesherrschaft usw.). 298 Aus dieser konstruierten Wirklichkeit lebte Jesus sowie seine<br />

Anhänger, die er begeistern konnte. In wissenssoziologisch-konstruktivistischer Hinsicht fragt<br />

Lampe nun nach den vier oben genannten Evidenzquellen, die eine Plausibilisierung der<br />

Basileia-Verkündigung ermöglicht haben <strong>und</strong> kommt zu folgenden Feststellungen: Evidenz<br />

durch sinnliche Wahrnehmung stellt sich dadurch ein, dass Jesus das lebt, was er predigt;<br />

295 Zur Erläuterung dieses ganzen Modells führt Lampe ein Beispiel von Stenger/Geisslinger an: Eine Gruppe<br />

Jugendliche in einem Freizeitlager verändert ihre soziale Realität dergestalt, dass am Ende des Lagers jeder davon<br />

überzeugt ist, dass ihre nächtlichen Träume in einer Wechselbeziehung zum Lauf von Wasseradern unter dem<br />

Schlafz<strong>im</strong>mer stehen: Die Wasseradern beeinflussen die Träume <strong>und</strong> umgekehrt. Auf diese Weise ist eine von<br />

verschiedenen Evidenzquellen gespeiste Sinnkonstruktion entstanden, die für ein Mitglied der Gruppe plausibel,<br />

für einen Außenstehenden jedoch phantastisch klingt. Vgl. LAMPE 1999, 226-227.<br />

296 Vgl. LAMPE 2006, 85.<br />

297 LAMPE 1999, 228.<br />

298 Vgl. LAMPE 1999, 224.228. Die Frage stellt sich allerdings, ob Jesus wirklich ein Konstrukteur neuer<br />

Wirklichkeit war, oder nicht vielmehr ein Rekonstrukteur einer alten Wirklichkeit.<br />

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