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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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Vordergr<strong>und</strong>, wer die Schüler in Sachen Wertevermittlung unterrichten soll, <strong>und</strong> nicht so sehr<br />

die unvoreingenommene Frage, welche Werteerziehung für den Luxemburger Schüler des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts am nützlichsten bzw. am „lebensdienlichsten“ ist. Diese Frage sollte unserer<br />

Meinung nach jedoch <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> stehen, <strong>und</strong> deshalb sollen ihr auch die folgenden<br />

Überlegungen gewidmet sein. Dieses Schlusskapitel soll weder ein Plädoyer für die<br />

Einführung des gemeinsamen Werte- <strong>und</strong> Weltanschauungsunterricht, d.h. für die Abschaffung<br />

des konfessionellen Religionsunterrichts, noch ein Plädoyer für die Beibehaltung der seit 1968<br />

bestehenden Doppelstruktur sein. Unsere Frage lautet vielmehr: Wie stellt sich die Frage<br />

„konfessioneller Religionsunterricht versus bekenntnisneutraler Werte- <strong>und</strong><br />

Weltanschauungsunterricht“ aus konstruktivistischer Sicht dar? Was spricht aus<br />

konstruktivistischer Perspektive für oder gegen einen solchen gemeinsamen Werte- <strong>und</strong><br />

Weltanschauungsunterricht 353 ? Es sei bereits angedeutet, dass die Beantwortung dieser Frage<br />

differenziert ausfallen muss – gibt es doch auch aus der Perspektive des <strong>Konstruktivismus</strong><br />

Argumente für <strong>und</strong> Argumente gegen die Einführung des „Einheitskurses“. 354<br />

6.2 Für den bekenntnisfreien Unterricht<br />

Wenn es st<strong>im</strong>mt, dass<br />

- jeder Mensch ein autopoietisches, strukturdeterminiertes Wesen ist;<br />

- jedes Subjekt Konstrukteur seiner eigenen Wirklichkeit – auch in spirituellen <strong>und</strong><br />

religiösen Fragen – ist;<br />

- man den Menschen nicht in eine best<strong>im</strong>mte Richtung lenken kann, sondern <strong>im</strong>mer nur<br />

seine „Selbststeuerung“ bzw. die Vergrößerung seiner selbstorganisatorischen<br />

Fähigkeit anvisieren kann;<br />

- der Mensch <strong>im</strong>mer nur <strong>im</strong> Sinne seiner bereits vorhandenen kognivitiven <strong>und</strong><br />

somatischen Struktur reagiert;<br />

353 Die genaue Bezeichnung für dieses Fach wäre noch zu finden. In unseren Augen ist jedenfalls der Begriff<br />

“Werteunterricht” nicht zufriedenstellend, weil weder der Religions- noch der Moralunterricht beanspruchen<br />

können, das Monopol in der Wertevermittlung zu besitzen. Vertreter der Disziplinen “Sprachen”, “Geschichte”<br />

oder “Biologie” würden sich mit Recht dagegen wehren, wenn behauptet würde, in diesen Fächern würden keine<br />

Wertevermittlung stattfinden. Ein wertefreier Unterricht ist unseres Erachtens nicht möglich <strong>und</strong> auch nicht<br />

erstrebenswert.<br />

354 Manche St<strong>im</strong>men in Luxemburg fordern sogar die ersatzlose Streichung des Religionsunterrichts <strong>und</strong> die<br />

Verlagerung des Themas "Religion" in andere Fächer, in erster Linie den Geschichtsunterricht. Da in diesen<br />

Fächern Religion <strong>im</strong>mer nur am Rande behandelt werden könnte, die Schüler sich erfahrungsgemäss aber<br />

existentiell-religiöse Fragen wie "Was ist der Sinn des Lebens" oder "Was geschieht nach dem Sterben?" intensiv<br />

stellen <strong>und</strong> zu Recht Antwortversuche vorgestellt bekommen möchten sowie – trotz abnehmender kirchlicher<br />

Prägung – eine gewisse Faszination für das Religiöse an den Tag legen, scheint uns diese Lösung inakzeptabel<br />

<strong>und</strong> gegen den allgemeinen Bildungsauftrag der Schule zu verstoßen.<br />

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