Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Marian Semm<br />
oder Twitter aktiv ist und wer denn alles mit Videos experimentiert. Einerseits war<br />
ich war überrascht, wie viele da tatsächlich experimentieren. Andererseits: Vieles<br />
ist richtungslos, konzeptlos, halbherzig und unprofessionell und deutlich über<br />
der Grenze der Markenschädigung.<br />
Am oberen Ende der IVW-Rankings sieht es wenigstens optisch besser aus, denn<br />
da sind die Blender, die ihre Seite alle zwei, drei Jahre neu anstreichen und, was<br />
die Klickzahlen angeht, durchaus erfolgreich sind. Ich vermisse dort eine konsequente<br />
und zeitnahe, vollständige und konsequente Auseinandersetzung mit<br />
regionalen Themen: <strong>Online</strong> first, Region first – das findet einfach nicht statt. Es<br />
ist für <strong>Online</strong>-Redaktionen bequemer, sich von der ARD mit den Tatort-DVDs eine<br />
Woche vor Ausstrahlung bemustern zu lassen und eine Kurzkritik zu schreiben, die<br />
genauso in einem überregionalen Dienst stehen könnte, als sich mit seiner Kernkompetenz<br />
auseinander zu setzen – und möglicherweise einem Kollegen sagen zu<br />
müssen, dass es eben nicht reicht, um 17 Uhr 15 Zeilen für das Druckprodukt abzugeben.<br />
Und wenn sie das dann tun, also sich mit ihrer Region beschäftigen, dann<br />
in Form von fast automatisch einfließenden Polizeimeldungen oder Meldungen<br />
von vorgestern. Ein nicht auszurottender Irrglaube ist, dass Themen online kurz<br />
gefahren werden müssen – diese Nachrichtenticker, dieser Stotterjournalismus,<br />
schrecklich! Jedes halbwegs gepflegte Hobby-Blog hat mehr Tiefgang!<br />
Der ehemalige Focus <strong>Online</strong>-Chefredakteur Jochen Wegner stellte kürzlich erneut<br />
seine These „Journalisten müssen Unternehmer werden“ zur Debatte. Was halten<br />
Sie in Bezug auf den <strong>Online</strong>-<strong>Journalismus</strong> von dieser These, bietet dieses<br />
Genre Chancen für journalistisches Unternehmertum?<br />
Ich finde, dass jeder Journalist verstehen sollte, wie sein Umfeld wirtschaftlich<br />
funktioniert – denn nur dann kann er realistisch seinen eigenen Wert einschätzen<br />
und diejenigen seiner Stärken entwickeln, die ihm Spaß machen und die nachgefragt<br />
sind. Das Denkmodell eines journalistischen Unternehmertums leitet sich ja<br />
aus der Demokratisierung der Arbeitsmittel – und der Chance, deshalb unabhängig<br />
von einem Verlag zu agieren. Aber nicht jeder geborene Schreiber ist auch ein<br />
talentierter Geschäftsmann, deshalb finde ich, es ist ein „sollte“ aber kein „müssen“.<br />
Und wenn wir schon die Grenzen betrachten: Es ist auch Fakt, dass es den<br />
multibegabten Text-, Bild-, Audio-, Video- und Animations-Journalisten nicht gibt.<br />
Und dass die Anforderungen an einen Journalisten und an einen Werbevermarkter<br />
unterschiedlich sind.<br />
Mit dem Heddesheimblog betreibt Hardy Prothmann solch ein journalistisches<br />
Unternehmen. Sie beobachten dieses Projekt ja auch schon länger, was halten Sie<br />
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