Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Interview<br />
schichtig: nicht jedem Journalisten ist es gegeben, die richtige Tonalität für das<br />
Schreiben oder Veröffentlichen von Videos in einem Blog zu finden, hautnah<br />
konnte man manchmal die krampfhaften Versuche von Redakteuren beobachten,<br />
die auf Teufel komm raus witzig wirken sollten; manche der Angebote waren einfach<br />
zu ambitioniert oder zu sehr in der Nische und fanden nicht die erhoffte Resonanz<br />
im Publikum.<br />
Charakteristisch für gute Blogs ist es, wenn die Autoren ihren Lesern viele Links<br />
anbieten. Links, die auf Informationsquellen und weiterführende Angebote verweisen,<br />
Links, die Transparenz herstellen, die journalistische <strong>Recherche</strong>arbeiten<br />
nachvollziehbar und mitunter glaubwürdiger machen. Vor allem durch dieses ausgiebige<br />
Vernetzen mit externen Internet-Angeboten, welches ja auch von Suchmaschinen<br />
durch bessere Auffindbarkeit der jeweiligen Seiten belohnt wird, sind<br />
sicherlich Impulse für den <strong>Journalismus</strong> entstanden.<br />
Besonders erwähnenswert sind freilich auch vielfältigen <strong>Recherche</strong>erfolge, die<br />
Blogger erzielten, weil sie Themen aufgegriffen, die Journalisten entweder überhaupt<br />
nicht oder nur unzureichend bearbeitet haben. In Blogs kann man also als<br />
Journalist durchaus respektable Fachleute finden, die gewisse Themen schon seit<br />
Jahren fundiert beackern.<br />
Somit können Blogs als ergänzende <strong>Recherche</strong>quelle durchaus Ansatzpunkte für<br />
journalistische <strong>Recherche</strong>n bieten.<br />
Doch wehe wenn Inhalte oder Ideen aus Blogs geklaut werden, dann können sich<br />
Journalisten – völlig zurecht – negativer Impulse aus der Blogosphäre sicher sein;<br />
auch bei anderen Vergehen oder Fehlern kann sich via Blogs schnell ein so<br />
genannter Shitstorm über Medien entfachen. Nicht immer geht es bei dieser<br />
Medienkritik sachgerecht oder fair zu, aber unterm Strich betrachte ich solche<br />
Korrektive als eher förderlich für das Mediensystem.<br />
Bei allem Lob halte ich es immer wieder für wichtig, dass man die vorgenannten<br />
Punkte nicht überschätzen oder gar glorifizieren sollte, das gilt für Deutschland aber<br />
auch weltweit – mit einer Mythologisierung von Blogs ist niemand gedient.<br />
Nennen Sie bitte einige typische Fallbeispiele, wo Gegen-Öffentlichkeit, Kritik,<br />
Kontrolle und eine eigenständige Agenda-Funktion funktioniert?<br />
Natürlich muss man hier den „Klassiker“, das Bildblog, nennen: Seit 2004 erzeugt<br />
dieses von Medienjournalisten betriebene Blog eine Form von intermedialer<br />
„Gegen-Öffentlichkeit“, indem es die Fehlleistungen und Machenschaften der<br />
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