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Online-Journalismus - Netzwerk Recherche

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Interview<br />

den Vordergrund treten. Wie aber die Welt, das Netz oder gar der <strong>Journalismus</strong> in<br />

fünf Jahren tatsächlich aussehen werden, ist unmöglich zu prognostizieren. Zur Erinnerung:<br />

Twitter ist vier Jahre alt, das iPhone drei Jahre.<br />

Welche Vorteile hätte ein Ende der Anonymisierungs-Kultur, die von vielen<br />

<strong>Online</strong>-Portalen gepflegt wird? (vgl. manche Regionalzeitungen akzeptieren nur<br />

noch Leserstimmen mit Klarnamen ...)<br />

Das würde die Debatte sicher mancherorts zivilisieren. Eine generelle Abschaffung<br />

der Anonymität im Netz würde ich aber für einen großen, gefährlichen Fehler<br />

halten. Ein Beispiel: Wer sich über Krankheiten, Depression, abseitige Hobbys<br />

oder andere heikle Themen informieren oder austauschen möchte, darf nicht<br />

gezwungen werden, das unter seinem Klarnamen zu tun. Das würde zu der Art<br />

von Totalüberwachung führen, die derzeit oft als Schreckgespenst und zwangsläufige<br />

Folge der Vernetzung an die Wand gemalt wird.<br />

Viele Verlage „kannibalisieren“ ihre Geschäftsmodelle selbst, in dem sie mit kostenlosen<br />

Angeboten den Käufermarkt ihrer Print-Produkte einengen. Welche Auswege<br />

sehen Sie hier und welche Bezahlmodelle haben künftig aus ihrer Sicht<br />

die realistischsten Umsetzungs-Chancen?<br />

Dafür, dass Verlage ihre eigenen Angebote „kannibalisieren“ gibt es meines Wissens<br />

wenige verlässliche Belege. Der Auflagenrückgang der deutschen Tagespresse<br />

war Mitte der Neunziger schon in vollem Gange – damals war das Internet<br />

hierzulande noch ein echtes Exotenthema. Die Auflagen etwa des „Spiegel“ und<br />

der „Zeit“ dagegen trotzen bislang allen Medienkrisen weitgehend unerschrocken<br />

– obwohl beide <strong>Online</strong>-Angebote betreiben. Das Problem, das das Internet den<br />

Verlagen bereitet, ist ein völlig anderes: Weil es zu viele Werbeflächen gibt, wird<br />

für Werbung online zu wenig bezahlt. Ob und welche Bezahlmodelle sich durchsetzen<br />

werden, wage ich nicht zu prognostizieren, eins aber ist klar: Das Bezahlen<br />

digitaler Inhalte muss einfacher werden. Das ist nach wie vor die größte Hürde,<br />

gerade um Klein- und Kleinstbeträge für Inhalte zu bekommen.<br />

Fragen: Thomas Leif<br />

Zur Person: Dr. Christian Stöcker arbeitet seit Februar 2005 bei Spiegel <strong>Online</strong> in den Ressorts Wissenschaft<br />

und Netzwelt, seit Januar 2009 ist er stellvertretender Ressortleiter Netzwelt. Der Einfluss digitaler<br />

Technologien auf die Medienlandschaft ist eines seiner Schwerpunktthemen. Stöcker ist in Würzburg<br />

geboren und aufgewachsen, studierte Psychologie in Würzburg und Bristol und promovierte 2003 in<br />

kognitiver Psychologie. In München studierte an der bayerischen Theaterakademie Kulturkritik und<br />

schrieb parallel unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“ und Spiegel <strong>Online</strong>.<br />

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