Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Journalistische Glaubwürdigkeit durch Klarnamen bei der Kommentarfunktion<br />
zu beenden und eine Klarnamenpflicht<br />
einzuführen. Warum dieser Schritt?<br />
In einer digitalen Welt, in der jeder<br />
Schüler mit minimalem Aufwand Informa<br />
tionen publizieren kann, in der die<br />
nackte Nachricht nicht einmal eine minimale<br />
Micropayment-Transaktion wert<br />
ist, in der Aggregatoren und Suchmaschinen<br />
die Reichweitenhoheit gewonnen<br />
haben, ist die journalistische<br />
Glaubwürdigkeit einer Tageszeitung<br />
das letzte und wichtigste Alleinstellungsmerkmal<br />
im Wettbewerb mit<br />
Akteuren, die mit den neuen Technologien<br />
versierter umgehen können als<br />
wir Journalisten. Diese journalistische<br />
Glaubwürdigkeit speist sich daraus,<br />
dass journalistische Standards verlässlich<br />
eingehalten werden: Sachlichkeit,<br />
Ehrlichkeit, Objektivität, Fairness,<br />
Transparenz, Authentizität, Offenheit.<br />
Unterschreiten die <strong>Online</strong>-Diskussionen<br />
auf den Websites von Tageszeitungen<br />
systematisch und dauerhaft diese Standards,<br />
weil Menschen von anonymen<br />
Heckenschützen beleidigt und diffamiert<br />
werden, dann beschädigt dies die Marke<br />
und das wichtigste Kapital der Zeitung<br />
– die Glaubwürdigkeit. Daraus folgt:<br />
Gestern, heute und morgen besteht die<br />
Kernkompetenz einer guten Redaktion<br />
nicht nur darin, exklusive Nachrichten,<br />
einzigartige Reportagen und meinungsstarke<br />
Kommentare publizieren zu können.<br />
In der digitalen Welt muss eine<br />
Redaktion darüber hinaus die Kernkompetenz<br />
entwickeln, gehaltvolle <strong>Online</strong>-<br />
Debatten der Nutzer organisieren zu<br />
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können. Die Klarnamenpflicht ist eines<br />
von mehreren Instrumenten, die Nutzer<br />
motiviert, respektvoll miteinander um -<br />
zu gehen und sachlich zu diskutieren.<br />
Die Nutzer von badische-zeitung.de<br />
haben sehr kontrovers über die Einführung<br />
der Klarnamen-Regel diskutiert.<br />
Der Beitrag, in dem das Verbot von<br />
Pseudonymen kommuniziert wurde, ist<br />
etwa 600 Mal kommentiert worden –<br />
bis heute ist das der Allzeit-Rekord. Die<br />
Mehrheit der Kommentatoren, die sich<br />
in dieser Diskussion zur Wort gemeldet<br />
hatten, war gegen die Einführung von<br />
Klarnamen. Gespeist wurde ihre Kritik<br />
vor allem durch das Bedürfnis nach<br />
dem Schutz der eigenen Daten und der<br />
Angst vor der Archivierung durch Suchmaschinen:<br />
Google löscht nichts.<br />
Technisch begegnen wir dieser Furcht,<br />
indem wir Suchmaschinen wie Google<br />
daran hindern, Nutzerkommentare<br />
(und die Namen ihrer Autoren) in den<br />
Suchindex aufzunehmen. Wir haben<br />
unsere Nutzer offen darauf hingewiesen,<br />
dass wir trotz dieser Vorkehrung nicht<br />
hundertprozentig ausschließen können,<br />
dass die Namen von Nutzern im Zu sammenhang<br />
mit publizierten Kommentaren<br />
von Suchmaschinen gefunden werden<br />
– auf welchem Wege auch immer.<br />
Nachdem die Klarnamen-Regel in Kraft<br />
getreten war, haben einige Dutzend<br />
Kommentatoren ihr Kommentarprofil<br />
gelöscht – einige von ihnen kehrten<br />
nach einigen Tagen zurück und meldeten<br />
sich unter einem Klarnamen an. Ob