Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Die digitale Öffentlichkeit und die Krise des <strong>Journalismus</strong><br />
Glaubwürdigkeit, Orientierung, Unabhängigkeit<br />
sind die Pfunde, mit denen<br />
der Zeitungsjournalismus nach wie vor<br />
punkten kann. Nur mit seiner Hilfe lässt<br />
sich der Kampf um Aufmerksamkeit in<br />
der kommerziellen Medienmarkenwelt<br />
und einem schier unübersichtlichen Feld<br />
an Informationsangeboten gewinnen.“<br />
Das freilich ist eine Argumentation, die<br />
man dieser Tage häufig hört und liest –<br />
das Überleben von Zeitungen gegen<br />
die Krise sei notwendig, weil ohne<br />
gedruckte Presse die Öffentlichkeit<br />
ihre demokratischen Funktionen nicht<br />
länger erfüllen könnte. Ein Argument,<br />
das Jürgen Habermas gar die Idee einer<br />
staatlichen „Subventionierung von Zeitungen<br />
und Zeitschriften“ hat aufwerfen<br />
lassen – „weil sich keine Demokratie<br />
ein Marktversagen auf diesem Sektor<br />
leisten kann“. Verständlich wird das<br />
Argument allerdings nur unter der<br />
Voraussetzung, dass die demokratisch<br />
unverzichtbaren Funktionen journalistischer<br />
Praxis auf die Publikation<br />
gedruckter Texte angewiesen ist; wenn<br />
stimmen würde, was Thomas Steinfeld,<br />
Feuilletonchef der „Süddeutschen Zeitung“<br />
kurz und prägnant behauptet:<br />
„Die Institution <strong>Journalismus</strong> ist an Zeitungen<br />
gebunden.“<br />
Solche Unverzichtbarkeitserklärungen<br />
der analogen Presse gehen gerne einher<br />
mit pauschalen Banalisierungsver -<br />
suchen der digitalen Öffentlichkeiten<br />
im neuen Internet – wie der berühmt<br />
gewordenen Diffamierung von Web logs<br />
als‚ Klowänden des Internet’, mit der<br />
70<br />
Jean-Remy von Matt vor einiger Zeit die<br />
Community der Blogger gegen sich aufgebracht<br />
hat. Als wäre, was die Nutzer<br />
des Web 2.0 in Blogs oder über Soziale<br />
<strong>Netzwerk</strong>e verbreiten, per se unprofessionell,<br />
amateurhaft, subjektiv, ohne<br />
kritische <strong>Recherche</strong> und ohne inhalt -<br />
lichen Tiefgang gedacht und geschrieben.<br />
Tatsächlich ist die Erklärung der<br />
eigenen Unverzichtbarkeit eher<br />
Beschwörung als Argument; ein angesichts<br />
der Zeitungskrise zwar verständlicher,<br />
aber historisch vergeb -<br />
licher Versuch, gegen den irreversiblen<br />
Schritt in die Welt der vernetzten, digitalen<br />
Medien die Besitzstände analoger<br />
Medien zu sichern.<br />
Für die Öffentlichkeit aber spielt es<br />
keine Rolle, welche Medien ihren Status<br />
sichern – und der digitalen Öffentlichkeit<br />
im Web 2.0 ist es zunehmend egal,<br />
über welche Portale sie Informationen<br />
bezieht. Nicht egal allerdings ist auch<br />
den Nutzern des Netzes die Qualität<br />
der Informationen. Und so hat der amerikanische<br />
Journalist, Blogger und<br />
Medientheoretiker Jeff Jarvis uneingeschränkt<br />
Recht, der in der „Süddeutschen<br />
Zeitung“ feststellt: „Nicht die<br />
Zeitungen sind wichtig für die Demokratie,<br />
der <strong>Journalismus</strong> ist es.“ Qualitätsjournalismus<br />
hat auch in Zeiten des<br />
Web 2.0 keine Akzeptanz-, er hat ein<br />
Finanzierungsproblem. Hier aber gilt –<br />
erfolgreich behaupten werden sich am<br />
Ende online nur Medien, welche netzgemäße<br />
Geschäftsmodelle entwickeln.<br />
Gebühren für Inhalte zählen derzeit<br />
nicht dazu. Nur wer die Logik des Netzes