Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Rolle der Leser unterschieden werden.<br />
Gerade in den autorenzentrierten<br />
Erfolgsblogs des Web 2.0 findet sich<br />
dafür der Beweis – denn so sehr diese<br />
Blogs von denjenigen leben, welche sie<br />
initial mit Texten füllen und nach denen<br />
sie zumeist heißen, so sehr leben sie<br />
zugleich (und manchmal: noch mehr)<br />
von den mitunter seitenlangen Kommentaren<br />
ihrer Leser, die damit zu<br />
gleichberechtigten Koautoren avancieren.<br />
Das muss man nicht, wie der amerikanische<br />
Autor Stephen Strauss, als<br />
„Unterminierung der alten Autor/ Redakteur-Diktatur“<br />
feiern; das macht die<br />
digitalen Öffentlichkeiten aber in<br />
jedem Fall demokratischer als massenmedial<br />
geprägte Öffentlichkeiten es je<br />
sein könnten. So sehr sich manche Vertreter<br />
der etablierten Medien immer<br />
noch gegen eine vermeintliche Verflachung<br />
des <strong>Journalismus</strong> durch schreibende<br />
Bürger im Internet wehren<br />
mögen – so sehr ist die zunehmende<br />
Verbreitung journalistischer Plattformen<br />
im Netz, die nicht an die kommerzielle<br />
Presse gebunden sind, auch ein<br />
Reflex der Einsicht, dass die Informationen<br />
der Massenmedien eben auch<br />
nur menschengemacht (und damit<br />
subjektiv) sind, und dass sie keineswegs<br />
schlicht (oder, wenn man’s pathetisch<br />
will: objektiv) wiedergeben, was<br />
der Fall ist. Sondern, was gemäß der<br />
für Massenmedien relevanten Differenz<br />
von alt und neu als eine Information<br />
überhaupt noch gelten kann, welche<br />
Leser zum Kauf bewegt oder Hörer<br />
und Zuschauer vom Abschalten abhält.<br />
Am Ende aber gilt: Sowenig Wikipedia<br />
Stefan Münker<br />
generell unwahrere Lemmata versammelt<br />
als der Brockhaus, sowenig enthält<br />
die Huffington Post prinzipiell falschere<br />
Nachrichten als die „Washington Post“.<br />
Auch wenn sich im Bereich der journalistischen<br />
Öffentlichkeit die Sphären<br />
der digitalen Netzmedien und der Massenmedien<br />
sowohl personell als auch<br />
institutionell zu vermischen beginnen,<br />
und es durchaus denkbar ist, dass sich<br />
aus dieser Mischung neue mediale<br />
Praktiken ergeben können, bleiben die<br />
Differenzen deutlich und unübersehbar.<br />
Die traditionellen Massenmedien<br />
erfüllen institutionell vorgegebene Aufgaben:<br />
Sie informieren und unterhalten<br />
ihre Rezipienten, kommentieren<br />
aktuelle Ereignisse und kritisieren<br />
deren Akteure, sie dienen dem Zeit -<br />
vertreib, manchmal der Bildung – und<br />
von wenigen Ausnahmen abgesehen<br />
dazu, ihren Eigentümern ausreichend<br />
Gewinne abzuwerfen. Bei den digitalen<br />
Netzmedien ist das anders: Die Netzmedien<br />
sind ungleich vielfältiger verwend-<br />
und gestaltbar. Sie dienen keinem<br />
apriorischen Zweck und erfüllen<br />
keine vorgegebene Aufgabe – sie<br />
haben genau die Bedeutung, die ihre<br />
Nutzer ihnen im Gebrauch verleihen.<br />
(Mit einer Ausnahme: Gewinn abwerfen<br />
sollen sie natürlich möglichst<br />
auch.) Im Web können die gleichen<br />
Plattformen aus unterschiedlichsten<br />
Motiven zu verschiedensten Zwecken<br />
verwendet werden. Twitter zum Beispiel<br />
als privater Groomingersatz<br />
ebenso wie als globaler Newsaggre -<br />
gator. Versuchen Sie das einmal mit<br />
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