Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer<br />
insgesamt von digitalen Medien nicht viel verstanden haben, trotz regelmäßiger<br />
gemeinsamer Podien mit Alan Rusbridger, Jeff Jarvis oder Marissa Meyer.<br />
In der 2005 erschienen Werkstatt „<strong>Online</strong>-<strong>Journalismus</strong>“ haben Sie gefordert,<br />
dass Journalisten die Blogosphäre umarmen, sich über diese neu entstandene<br />
„Echo Chamber“ freuen sollen. Wie beurteilen Sie heute den Umgang von Journalisten<br />
mit Blogs; haben sich nicht einige wenig gut gedeihende Blog-Projekte<br />
bei Medien wie etwa bei FAZ.NET entwickelt?<br />
Naja, immerhin: Ein paar von denen sind in ihren Nischen ganz gut und erfolgreich.<br />
Ihr Problem besteht vor allem darin, dass sie von ihren Redaktionen schlecht<br />
positioniert werden. Schon mit der Bezeichnung „Blog“ ist in Deutschland eine Stigmatisierung<br />
verbunden. Wenn man seine Blogs bekannt machen will, darf man<br />
nicht schüchtern herumdrucksen: „Guckt mal hier, wir haben jetzt auch Weblogs!“.<br />
Man muss laut und deutlich bekannt machen, dass man wirklich gute Autoren hat<br />
und spannende Inhalte produziert – das muss im Vordergrund stehen! Wenn uns<br />
von den Berliner Bussen zum ersten Mal auf einer Werbefläche das Konterfei eines<br />
Zeit-Bloggers entgegenlächelt wie einst Carrie Bradshaw in „Sex and the City“<br />
von den New Yorker Bussen, – dann schöpfe ich Hoffnung. (Das Bild mit der Umarmung<br />
der Blogosphäre stammt übrigens von Jochen Wegner.)<br />
2005 haben Sie auch gesagt: „Es kann eigentlich keine bessere Zeit für journalistische<br />
Initiativgründungen geben als jetzt.“ Wie sehen Sie das heute? Jochen<br />
Wegner, bis vor kurzem Chefredakteur von Focus <strong>Online</strong>, sagt ja, dass Journalisten<br />
künftig Unternehmer werden müssen. Wie reagieren Sie in Ihrem Studiengang auf<br />
diese Herausforderungen?<br />
Wir bieten im Studiengang mehrere Veranstaltungen zur Medienökonomie an, die<br />
sich auch mit ganz praktischen Aspekten wie der Selbstvermarktung freier Journalisten,<br />
den verschiedenen Erlösquellen im <strong>Online</strong>-<strong>Journalismus</strong>, dem redaktionellen<br />
Marketing oder der Mechanik einer kleinen Geschäftsgründung beschäftigen.<br />
Die Studenten sollen begreifen, dass journalistische Arbeit eingebettet ist in ein<br />
hartes Geschäft, und dass die publizistische Freiheit ein Gut ist, das man sich<br />
immer wieder auch ökonomisch erstreiten muss. Vor allem wachsen unsere Studenten<br />
mit einem weiteren Medienverständnis auf, in dem die Grenzen zwischen<br />
Amateurpublizistik und professionellem <strong>Journalismus</strong> fließend und transparent<br />
sind, und in der das Experimentieren zum Alltag gehört. Wenn schon die alten<br />
Medienorganisationen nicht in der Lage sind, mit den aktuellen Herausforderungen<br />
zurechtzukommen, soll jedenfalls eine junge Generation heranwachsen, die sich<br />
an die Aufgabe herantraut, den <strong>Journalismus</strong> komplett neu aufzustellen.<br />
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