Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Interview<br />
Ich glaube nicht, dass es einen Königsweg gibt. Und ebenso wenig haben <strong>Online</strong>-<br />
Medien vor Jahren verpasst dorthin abzubiegen und stattdessen den „Geburtsfehler<br />
Gratiskultur im Internet“ etabliert. Medien haben dort gar nichts entwickelt, Internet-<br />
Inhalte waren schon vorher gratis. Wenn <strong>Online</strong>-Medien stärker vom Nutzerinteresse<br />
her denken würden, sich als kompetenter Dienstleister und Wegweiser zeigen<br />
würden, dann wären Bezahlinhalte wohl weniger ein Problem. Es ist natürlich ein<br />
Problem für Paid Content- Modelle, dass das Wesen der Nachricht flüchtig ist.<br />
Anders als Songs, die ich mir bei Blip.fm oder Last.fm oder in den 30-Sekunden-<br />
Takes bei Itunes vor dem Kauf erst einmal anhöre, weil ich sie dann nach dem<br />
Download beliebig oft hören möchte, nutzt man Nachrichtenbeiträge in der Regel<br />
nur einmal. Also müssten Medienhäuser Angebote entwickeln, sich Einzigartiges,<br />
weniger schnell Vergängliches und ausgesprochen Nutzwertiges bezahlen zu lassen,<br />
nicht aber die Nachricht, die ich ein paar Mausklicks weiter auch gratis<br />
bekomme. Das greift wiederum ineinander mit der Notwendigkeit der Verlinkung.<br />
Deutsche Verlage sind sich schnell einig, wenn es darum geht, den angeblichen<br />
Contentklau von Google oder die Art der Internetauftritte von ARD und ZDF zu verdammen<br />
oder ein eigenes Leistungsschutzrecht zu fordern. Warum können sie<br />
sich nicht ebenso darauf einigen, nicht mehr voneinander (und von Bloggern!)<br />
abzuschreiben und stattdessen gegenseitig auf „Best of“-Angebote zu verlinken.<br />
Und natürlich auch auf das Beste im Netz, das außerhalb von Verlagen produziert<br />
wird. Sie würden Ihren Nutzern einen großen Dienst erweisen, und jedes einzelne<br />
Angebot wäre hochwertiger, weil es wie ein Wegweiser zu den Perlen des <strong>Journalismus</strong><br />
im Netz funktionieren würde. Aufgrund der ganzen eingehenden Links würden<br />
die Verlagsangebote auch bei Google bessere Platzierungen in den Suchergebnissen<br />
erreichen. Die ganzen mühseligen und teuren Suchmaschinenoptimierungs-<br />
Tricksereien könnten Verlage sich und ihren Nutzern dann wohl ersparen. In einem<br />
solchen kuratierten Angebot sehe ich auch ein Paid-Content-Geschäftsmodell.<br />
Kleinere Portale und freie Journalisten sollten außerdem mutiger mit Mikropayment -<br />
systemen wie Flattr und Kachingle experimentieren. Eine kommerzielle Seite, auf<br />
der es vor Flash-animierten Bannern oder gar Pop-Up-Banner nur so wimmelt, hat<br />
sicherlich weniger Chancen, auch noch freiwillige Zahlungen zu bekommen, aber<br />
Blogger wie Stefan Niggemeier, Jens Weinreich oder Podcaster wie Tim Pritlove werden<br />
für ihren Aufwand durchaus von dankbaren Nutzern auch freiwillig entlohnt.<br />
Was halten Sie von der unter anderem von Jochen Wegner lancierten Feststellung,<br />
dass Journalisten zu Unternehmern werden müssten; wie könnte dies im<br />
<strong>Online</strong>-Bereich aussehen?<br />
Diese Feststellung kann ich nur unterschreiben. In den USA gibt es unter der Leitung<br />
von Jeff Jarvis in New York sogar schon einen eigenen <strong>Journalismus</strong>lehrgang<br />
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