Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Und sie wissen immer noch nicht, was sie tun sollen<br />
zum obersten Olymp nicht vorwerfen,<br />
sie hätten es nicht ausprobiert, dieses<br />
Internet und seine Möglichkeiten. Nur<br />
half es kaum beim Versuch, die Leser<br />
zu binden, die oft eine deutliche Präferenz<br />
für Seiten wie Knuddels, MeinVZ,<br />
Facebook, Pirate Bay oder gar Youporn<br />
entwickelten, auf der Suche nach ganz<br />
anderen Inhalten.<br />
Geht man allein nach den Zahlen der<br />
Besucher und Page Impressions, sagt<br />
das Internet den Medienunternehmen<br />
und Journalisten einige unschöne Wahrheiten<br />
ins Gesicht: Es gibt für die Nutzer<br />
Alternativen. Sie sind im Netz nicht<br />
mehr von einzelnen Regionalpublikationen<br />
abhängig. Relativ gesehen sind<br />
auch große Medienhäuser klein, sehr<br />
klein. Das schmutzigste aller Geheimnisse,<br />
über das die Branche nur ungern<br />
redet, und das auch bei Journalisten<br />
gern verdrängt wird, sind die absoluten<br />
Zahlen, mit denen Beiträge abgerufen<br />
werden: Der Kollege im Print mag glauben,<br />
dass die verkaufte Auflage mal<br />
zwei genommen die Leserschaft der<br />
Zeitung und damit auch sein Publikum<br />
ist. Zehntausende, Hunderttausende<br />
lesen, lassen sich bilden und beeinflussen,<br />
besagt das eitle Selbstbild, sie<br />
zahlen Geld und den Lohn, damit sie<br />
das vernehmen können, was der kleine<br />
Gott an der Tastatur zu verkünden hat.<br />
In dieser Überzeugung gefangen, mag<br />
es dem Journalisten gar nicht gefallen,<br />
in der Technik nachzufragen, wie oft<br />
denn der Beitrag abgerufen wurde,<br />
wenn er im Internet an theoretisch<br />
Abermillionen Leser verschenkt wurde.<br />
54<br />
Diese Zahlen sind auch bei großen<br />
Häusern im Durchschnitt derartig<br />
schlecht, dass es tatsächlich nur sehr<br />
begrenzte Möglichkeiten gibt, sie allein<br />
im Internet über Bannerwerbung zu<br />
finanzieren. Mit den Einnahmen, die<br />
Medienkonzerne aus dem Printgeschäft<br />
gewohnt sind, ist das Internet-Geschäft<br />
nicht zu vergleichen. Mit Google-Optimierung,<br />
schmutzigen Tricks wie auf<br />
Sonderseiten führende Links, zerstüc -<br />
kelten Beiträgen und im Weg stehender<br />
Werbung kann man den Ertrag vielleicht<br />
verbessern. Und es finden sich in<br />
Deutschland wahre Meister beim<br />
Umbauen von Beiträgen in sinnlosen<br />
Klickstrecken, die euphemistisch mit<br />
„in Bildern“ umschrieben werden – aber<br />
eine Medienwelt, die durchwegs wie<br />
Sueddeutsche.de aussehen würde,<br />
wäre vielleicht noch schlimmer als die<br />
gemeinschaftliche Insolvenz der deutschen<br />
Zeitungen.<br />
In einer Branche, die so verdruckst ist<br />
wie jene Unternehmen, denen ihre<br />
Angestellten gerne überzogene Diskretion<br />
nachsagen, kann man nur mutmaßen,<br />
wie all die Entscheider wirklich<br />
über die Verbreitung der Wörter und<br />
Bilder im Internet denken. Ich persönlich<br />
glaube, dass das Internet jedesmal<br />
Anlass für Ärger ist, wenn sie ihre vergeblichen<br />
Bemühungen sehen, darin<br />
die alte Zeitungsmacht zu erlangen,<br />
wenn Google ihnen die kalte Schulter<br />
zeigt, und die Politik trotz des vereinten<br />
Gekeifes noch immer keine <strong>Online</strong>-<br />
Gema und kein so genanntes „Leistungsschutzrecht“<br />
beschlossen hat,