Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Die digitale Öffentlichkeit und die Krise des <strong>Journalismus</strong><br />
Die Blogosphäre ist hier ein gutes Beispiel.<br />
Jeder Internetuser kann die Welt<br />
mit einem eigenen Weblog erfreuen;<br />
und viele Millionen Internetuser machen<br />
das auch. Ein großer Teil der vorhandenen<br />
Weblogs freilich wird entweder nur<br />
selten oder gar nicht gepflegt – und<br />
wenn, dann als Publikationsmedium<br />
privater Fotos und Befindlichkeiten.<br />
Das kann dann jeder andere Internetuser<br />
lesen – wobei die berechtigte Frage<br />
lautet: Wieso? Die Antwort darauf aber<br />
erübrigt sich ebenso wie jede Kritik<br />
daran, denn tatsächlich werden die privaten<br />
Blogs außerhalb des engsten<br />
Freundes- und Familienkreises normalerweise<br />
nicht wahrgenommen. (Außer<br />
vielleicht von Soziologen und Medienwissenschaftlern<br />
auf der Suche nach<br />
empirischem Anschauungsmaterial.)<br />
Der kleinere Teil der Blogosphäre aber<br />
besteht aus Weblogs, die von ihren zu<br />
einem nicht geringen Teil professionellen<br />
Betreibern als Medien einer thematisch<br />
orientierten, kontinuierlichen<br />
Publikation von journalistischen oder<br />
wissenschaftlichen Texten verschiedener<br />
Art – kritischen Kommentaren,<br />
Trendbeobachtungen, Forschungsberichten<br />
etc. – benutzt werden; und von<br />
einer entsprechenden Öffentlichkeit<br />
interessierter Nutzer gelesen und wiederum,<br />
was schließlich eines der charakteristischen<br />
Merkmale der Medialität<br />
von Blogs ist, kommentiert und<br />
weiterverlinkt werden.<br />
Sichtbarer als andere, stellen diese<br />
Blogs – zu denen im deutschsprachigen<br />
Raum z.B. der institutionell ungebun-<br />
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dene BILDblog ebenso gehört wie<br />
der Handelsblatt-Ableger Indiskretion<br />
Ehren sache – innerhalb der Blogosphäre<br />
Anziehungspunkte dar; der<br />
Nutzerfluss, der über sie läuft und sie<br />
qua Verlinkung weiterträgt, hilft (exemplarisch<br />
für den Netzeffekt der Clusterbildung),<br />
die Sphäre zu strukturieren<br />
und die insgesamt verfügbaren Datenmengen<br />
zu filtern. Freilich – anders als<br />
im Bereich massenmedialer Informa -<br />
tionsübertragungen gibt es in der Blogosphäre<br />
weder eine marktbeherrschende<br />
Konzentration auf einige<br />
wenige Meinungsführer, noch zentrale<br />
Kontrollmechanismen über die Inhalte<br />
der Publikationen – wohl aber immer<br />
die Möglichkeit, abweichende Meinungen<br />
oder alternative Bewertungen kopräsent<br />
zu publizieren. Das Vertrauensproblem,<br />
das manche Kritiker immer<br />
wieder ob der vermeintlich fehlenden<br />
Mechanismen der Qualitätssicherung<br />
Blogs gegenüber artikulieren – in den<br />
korrigierenden Kommentaren der Netzgemeinschaft<br />
findet es eine Lösung, die<br />
bei gut besuchten Blogs vom gleichen<br />
Netzeffekt profitiert wie die Wikipedia.<br />
Schlechter als die traditionellerweise<br />
geforderte Delegation der Vertrauensfrage<br />
an von politischen oder ökonomischen<br />
Interessen mitbestim mten<br />
Redak tionen klassischer Medienhäuser<br />
in einem hoch konzentrierten und hoch<br />
kompetitiven Markt kann die Qualitätskontrolle<br />
durch kommentierende<br />
Leser kaum sein.<br />
Wenn die Sozialen <strong>Netzwerk</strong>e derzeit<br />
das Zentrum des zentrumslosen Netzes