Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Die digitale Öffentlichkeit und<br />
die Krise des <strong>Journalismus</strong><br />
Stefan Münker, Kulturredakteur und Dozent<br />
Wenn es einen gesellschaftlichen<br />
Bereich gibt, der stellvertretend die<br />
Idee der Öffentlichkeit repräsentieren<br />
könnte, dann ist das die Presse. Der<br />
professionelle <strong>Journalismus</strong> – zuerst im<br />
Print, später dann auch elektronisch –<br />
hat die politische und kulturelle Öffentlichkeit<br />
der Moderne als Sphäre der kritischen<br />
Selbstbeobachtung der Gesellschaft<br />
gegründet und gefestigt. Ohne<br />
die Vermittlung durch journalistisch aufbereitete<br />
Informationen wäre politische<br />
Meinungsbildung in komplexen Gesellschaften<br />
nicht möglich; das kritische<br />
Korrektiv journalistischer <strong>Recherche</strong>n<br />
und Publikationen hat die Machtsphären<br />
von Politik und Wirtschaft immer<br />
wieder erfolgreich demokratisch kon -<br />
trolliert. Die massenmedialen Publi ka -<br />
tionsorgane Zeitung, Fernsehen und<br />
Radio waren lange Zeit als vierte<br />
Gewalt im Staat unersetzlich und konkurrenzlos.<br />
Die Zeit allerdings ist vorbei; die Konkurrenz<br />
ist da – und mit ihr die Krise<br />
der etablierten Medien. In den USA hat<br />
das große Zeitungssterben flächendeckend<br />
bereits begonnen; mittlerweile<br />
gibt es kaum noch Städte mit eigenen<br />
Regionalzeitungen. Und auch bei uns<br />
sieht es nicht rosig aus für die Zukunft<br />
des gedruckten <strong>Journalismus</strong>. Viele<br />
deutsche Zeitungen vermelden Jahr um<br />
Stefan Münker<br />
Jahr Auflagenrückgänge; und mit dem<br />
Schwinden der Leser schwinden auch<br />
Anzeigenkunden, für viele die Basis<br />
des Geschäfts. Diese Krise der Zeitungen<br />
ist keine temporäre; hier geht es<br />
vielmehr um den grundlegenden,<br />
strukturellen Wandel des Übergangs in<br />
die digitale Ära – einen Wandel, dessen<br />
Konsequenzen die gedruckte Presse<br />
nur als erstes spürt; der aber auch in<br />
den elektronischen Massenmedien<br />
sich ankündigt. Stephan Weichert und<br />
Leif Kramp vom Berliner Institut für<br />
Medien- und Kommunikationspolitik,<br />
die gemeinsam über die Zukunft des<br />
<strong>Journalismus</strong> forschen, verkünden in<br />
einer für die Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
erstellten Studie über das „Verschwinden<br />
der Zeitung“ gleich zu Beginn ihre<br />
diagnostische These: „Das Internet<br />
verdrängt zweifellos die klassische Zeitung<br />
aus Papier.“ Am Ende der Studie<br />
allerdings folgt überraschenderweise<br />
eine Gegenthese: „Das Ende der Zeitung<br />
ist dennoch keine ausgemachte<br />
Sache: Der journalistische Geist der<br />
gedruckten Presse kann – und muss –<br />
weiterleben, nicht aus wirtschaftlichen<br />
Gründen, sondern weil er identisch ist<br />
mit der Idee einer lebendigen Demokratie:<br />
Ohne das publizistische Gegengewicht<br />
einer funktionierenden Medienlandschaft<br />
kann keine Aufklärung, kei ne<br />
Meinungsbildung mehr stattfinden.<br />
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