Online-Journalismus - Netzwerk Recherche
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Interview<br />
Wo müssen Sie im <strong>Online</strong>-Bereich noch korrigieren?<br />
Der Presserat muss Erfahrungen sammeln im Umgang mit Sammelbeschwerden,<br />
Blog-Kampagnen, Internet-Initiativen etc. Vielleicht ist es sinnvoll, einzelne<br />
Beschwerden als Muster- oder Leitverfahren zu behandeln und insgesamt stärker<br />
moderierende Elemente (so genannte Mediation) in die Beschwerdeaufarbeitung<br />
einfließen zu lassen.<br />
Ihr Kollege Manfred Protze schreibt als Sprecher des Deutschen Presserats [im<br />
März 2010 wurde er turnusgemäß abgelöst] in seinem Bericht über das Jahr 2009<br />
folgendes: „Das hohe Aktualisierungspotenzial von <strong>Online</strong>-Veröffentlichungen<br />
ergibt u.a. veränderte, auch verbesserte Möglichkeiten für Korrekturen bei<br />
Regelverletzungen.“ Haben Sie in Ihrer Praxis festgestellt, dass Hinweisen auf<br />
Regelverletzungen schnell nachgegangen wird, können Sie das vielleicht auch<br />
quantifizieren?<br />
Wir bekommen tatsächlich mit, dass die Redaktionen zum Teil schneller auf<br />
Beschwerden bzw. mögliche Regelverletzungen reagieren. Erfährt eine Redaktion<br />
von einer Beschwerde bei uns, so kann es sein, dass der beschwerdegegenständliche<br />
Artikel tatsächlich verändert wird. Zum Beispiel, indem die genannte<br />
Ethnie oder Nationalität bei einem Bericht herausgenommen wird, wo sie nicht<br />
für das Verständnis notwendig ist. Oder, dass ein Foto, das gegebenenfalls verletzend<br />
ist, gelöscht wird. Weitere Beispiele: bei einem Mordfall wird das Foto des<br />
Opfers im Blut liegend oder bei einem Unfall das Ertrinken eines Mannes beim<br />
Rettungsversuch seines Sohnes veröffentlicht. Auch in Bezug auf Kommentare zu<br />
einzelnen Artikeln in Foren können wir davon berichten, dass die Redaktionen,<br />
sobald sie von uns einen Wink bekommen haben, sich um die mögliche Regelverletzung<br />
kümmern. Insgesamt haben wir hier tatsächlich gute Erfahrungen<br />
gemacht. In Zahlen ausdrücken lässt sich dies allerdings nicht.<br />
Auf die Möglichkeit, sich als <strong>Online</strong>-Nutzer über den Presserat zu beschweren, hat<br />
meines Erachtens noch kein einziges <strong>Online</strong>-Medium explizit hingewiesen, oder?<br />
Auch so genannte „Korrekturspalten“ oder ähnliches vermisst man bei den<br />
meisten <strong>Online</strong>-Angeboten. Ist das nicht ein Beweis für die immer wieder<br />
monierte „fehlende Fehlerkultur“ im deutschen <strong>Journalismus</strong>?<br />
Uns ist zumindest nicht bekannt, dass explizit auf die Beschwerdemöglichkeit hingewiesen<br />
wird. In der Tat ist in Deutschland, anders als in den angelsächsischen<br />
Ländern, das Kommunizieren über eigene Fehler und Missgeschicke nicht sehr<br />
ausgeprägt. Dies ist durchaus zu bedauern und eigentlich nicht wirklich nachzu-<br />
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