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Mündliche Frage zu Entscheidungskriterien der ... - Schulz, Swen

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8822 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)(B)macht den Zickzackkurs aus, von dem ich schon (C) gesprochenhabe, und führt letzten Endes da<strong>zu</strong>, dass diese Regierungvor <strong>der</strong> europäischen Aufgabe so versagt wiekeine an<strong>der</strong>e vor ihr. Ich glaube, Frau Merkel, Sie spüren,dass Sie sich durch die Entscheidungen und Nichtentscheidungen<strong>der</strong> letzten Wochen in ein Geflecht vonAnkündigungen, Halbwahrheiten und auch Lebenslügenhineinbegeben haben. Aber Sie wissen im Augenblicknicht, wie Sie da herauskommen sollen.Im April haben Sie verkündet: kein Geld für Griechenland.Das Ergebnis ist bekannt. Sie haben gesagt:Griechenland bleibt ein Einzelfall. Dann kam <strong>der</strong> Rettungsschirm.Sie haben gesagt: Der Schirm ist UltimaRatio; er wird wahrscheinlich gar nicht in Anspruch genommen.Dann kam Irland.(Zurufe von <strong>der</strong> SPD: Ja!)Sie haben gesagt: Wir wollen keine Transferunion. Ihreigener Berater aber sagt: In gewisser Weise haben wirdas schon. Sie haben gesagt: Wir brauchen automatischeSanktionen. Zusammen mit Herrn Sarkozy haben Sie siein Deauville gekippt. Sie haben gesagt: Defizitsün<strong>der</strong>werden mit dem Ent<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> Stimmrechte bestraft. Heutewar kein Wort davon <strong>zu</strong> hören. Sie haben gesagt: keineEuro-Bonds. Ihre Experten sagen: Mit <strong>der</strong> European FinancialStability Facility haben wir sie eigentlich schon.(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Na, na, na!)Sie haben die Gläubigerbeteiligung gefor<strong>der</strong>t. In Ihrerheutigen Regierungserklärung sind Sie merkwürdig vagegeblieben.Nicht <strong>zu</strong> vergessen ist auch das Gezerre um die Finanztransaktionsteuer.Hier im Parlament ist FrauMerkel manchmal ein bisschen dafür; auf europäischerEbene ist Herr Schäuble manchmal ein bisschen dagegen.Geschehen ist jedenfalls nichts. Das ist die dramatischeBilanz nach diesem halben Jahr europäischer Politikin <strong>der</strong> Krise. Ich sage Ihnen: Das sehen die Leute inIhren eigenen Reihen nicht wesentlich an<strong>der</strong>s als wir.Das muss Ihnen Sorgen machen, Frau Merkel.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Aber wir stehen in <strong>der</strong> Tat in diesen Tagen in Europavor einer historischen Aufgabe. Es geht um die Zukunft<strong>der</strong> gemeinsamen Währung. Mehr noch: Es geht um dieZukunft des gemeinsamen europäischen Projekts. Eswird vom Handeln <strong>der</strong> europäischen Regierungen abhängen,ob wir wie<strong>der</strong> ins 19. und 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, in nationalstaatlichesDenken <strong>zu</strong>rückfallen o<strong>der</strong> daraufkommt es an ob wir jetzt den Mut <strong>zu</strong> dem nächstengroßen europäischen Sprung aufbringen, das Europa <strong>der</strong>Nationalstaaten schrittweise <strong>zu</strong> überwinden und dieseEuropäische Union <strong>zu</strong> einer politischen Union fort<strong>zu</strong>entwickeln.Diese <strong>Frage</strong> steht auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Vordieser <strong>Frage</strong> dürfen wir uns nicht verstecken.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Das ist meine feste Überzeugung.Die Unruhe an den Finanzmärkten hat nicht nur mit<strong>der</strong> Finanzsituation Griechenlands, Irlands o<strong>der</strong> Portugals<strong>zu</strong> tun. Die <strong>Frage</strong>n, die die Finanzmärkte stellen, sind fundamentalerNatur. Es sind <strong>Frage</strong>n, die auch die Menschenstellen. Darin drücken sich Zweifel an <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit<strong>der</strong> europäischen Institutionen aus. Es gibt Zweifelan <strong>der</strong> Reichweite europäischer Solidarität und an <strong>der</strong>europapolitischen Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Deutschen. Darüberreden wir in diesen Tagen. Diese Zweifel beseitigenwir nicht im täglichen Klein-Klein. Da muss ein großerSprung her.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Deshalb da bin ich mir sicher werden wir dieseZweifel, die ich eben beschrieben habe, nur beseitigen,wenn wir auf die sich stellenden <strong>Frage</strong>n klar und unmissverständlichantworten.Keine Einzelmaßnahme nicht die Aufstockung desRettungsschirms, kein Euro-Bond, nicht ein weiteresEZB-Aufkaufprogramm wird in <strong>der</strong> Lage sein, dieZweifel <strong>zu</strong> überwinden, von denen ich spreche. Wirbrauchen aus meiner Sicht einen wirklich umfassendenAnsatz, <strong>der</strong> aus drei Elementen besteht:Erstens. Wir brauchen die Gläubigerbeteiligung durcheinen intelligenten Haircut. Die Krisenstaaten Griechenland,Irland und Portugal werden auf absehbare Zeit daswissen Sie in <strong>der</strong> Regierung auch nicht in <strong>der</strong> Lage sein,auf einen nachhaltigen Wachstumspfad <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kommen.Wenn die Anpassungslast am Ende nicht allein beiden europäischen Steuerzahlern ankommen soll darumgeht es mir , dann muss <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> Gläubigerbeteiligungdurch einen intelligenten Haircut beschritten werden,bevor die EZB die schlechten Anleihen wie<strong>der</strong> insPortfolio aufnimmt.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN)Zweitens das wird unumgänglich sein, wenn wir imJanuar 2011 nicht wie<strong>der</strong> über dieselben Themen mit <strong>der</strong><strong>der</strong>selben Tagesordnung miteinan<strong>der</strong> reden wollen :Damit die Krise nicht noch auf an<strong>der</strong>e stabile Volkswirtschaftenin Europa übergreift, brauchen wir ein klaresSignal europäischer Solidarität. Ich sage Ihnen voraus,dass dieses Zeichen <strong>der</strong> europäischen Solidarität auchwenn wir das heute verdrängen; wir werden da<strong>zu</strong> gleichnoch mehrere Redner von Ihnen hören höchstwahrscheinlicheine Unterfütterung durch einen erweiterteneuropäischen Rettungsschirm braucht.Drittens. Wir müssen endlich den Geburtsfehler <strong>der</strong>Wirtschafts- und Währungsunion beseitigen und <strong>zu</strong> einerpolitischen Union kommen. Eben wurde dazwischengerufen:Euro-Bonds. Ich finde, wir sollten uns <strong>zu</strong> schadesein, die <strong>Frage</strong>n, die uns im Augenblick gestellt werden,immer nur mit Ja o<strong>der</strong> Nein <strong>zu</strong> beantworten. Wenn wir<strong>zu</strong> <strong>der</strong> politischen Union kommen wollen und zwar miteuropäischer Solidarität, wie ich sie verstehe , dannmüssen die Antworten anspruchsvoller ausfallen. Je<strong>der</strong>von uns, auch auf dieser Seite des Bundestages, weiß,dass die Antwort nicht allein Euro-Bonds lautet.(D)

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