8862 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt(A)(B)(C)gedachten Nachrüstungen von Atomkraftwerken <strong>zu</strong>r Verfügung<strong>zu</strong> stellen, sobald diese <strong>der</strong> Bundesregierung vorliegen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Meine Antwort, Kollege Miersch, lautet: Die Bundesregierungwird den Deutschen Bundestag in geeigneterWeise über die im Zuge <strong>der</strong> Laufzeitverlängerung vorgesehenenNachrüstungen informieren.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine Nachfrage, Herr Miersch? Bitte sehr.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, es ging um die <strong>Frage</strong>, ob dieBundesregierung bereit ist, uns über die Faktenlage undüber die Erkenntnisse, die sie in diesem Zusammenhanghat, vollständig <strong>zu</strong> informieren und uns dementsprechendauch Gutachten bzw. Unterlagen, die sie hat, vor<strong>zu</strong>legen.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Herr Miersch, Sie können mir glauben, dass das BMUdaran interessiert ist, das Verfahren transparent <strong>zu</strong> gestalten.Ich darf darauf hinweisen, dass die Entwicklungsicherheitstechnischer Nachrüstmaßnahmen für Kernkraftwerkeein sehr dynamischer Prozess ist. Die Anfor<strong>der</strong>ungen,die auf <strong>der</strong> Homepage des BMU veröffentlichtsind, werden anlagenspezifisch konkretisiert werdenmüssen. Allerdings ist es auch die Aufgabe <strong>der</strong> Betreiber,die sicherheitstechnischen Verbesserungen ihrer Anlagen<strong>zu</strong> planen. Das werden Behörden und Sachverständigeprüfen.Bisher ist nicht ab<strong>zu</strong>sehen, welche Zwischenschritteerfolgen und inwieweit mehr o<strong>der</strong> weniger umfassendeDokumentationen in Form von Listen vorgenommenwerden. Deshalb können wir <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunktnoch nicht so verfahren, wie Sie es gerne hätten. Aberich sage Ihnen <strong>zu</strong>, Sie umfassend über alles <strong>zu</strong> informieren.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie noch eine <strong>Frage</strong>, Herr Miersch?Dr. Matthias Miersch (SPD):Ja. Diese umfassende Information hätte ich mir Siewerden das vielleicht an<strong>der</strong>s beurteilen am 1. Dezemberdieses Jahres erhofft, als es um den Atomtransport nachMajak ging; das ist ein kleines Beispiel. Fünf Tage späterlesen wir Parlamentarier dann etwas an<strong>der</strong>es. Insofernwill ich diese Gelegenheit nutzen, um diese Informationsflutgewissermaßen bei Ihnen ab<strong>zu</strong>greifen. Ich frage Sie:Schließen Sie aus, dass dann, wenn die erfor<strong>der</strong>lichenNachbesserungen an <strong>der</strong> Anlage in Majak vorgenommenwerden, eventuell doch noch ein Transport dorthin stattfindet?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ihre Nachfragen beziehen sich auf die <strong>Frage</strong> nach densicherheitstechnischen Anfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Laufzeitverlängerungvon Kernkraftwerken.(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Es geht umKernkraft allgemein, Entschuldigung!) Nein, um Atomkraftwerke, wenn ich aus Ihrer <strong>Frage</strong>zitieren darf. Ich habe Ihnen <strong>zu</strong>gesagt, dass ich Ihnenumfangreiche Informationen <strong>zu</strong>r Verfügung stelle. Daskönnen Sie mir glauben. Dieses Thema können wir in einer<strong>der</strong> kommenden Sit<strong>zu</strong>ngen des Umweltausschussesauch gerne beson<strong>der</strong>s behandeln.Was Majak angeht, habe ich Ihnen schon erläutert,dass die Prüfung am 1. Dezember dieses Jahres nochnicht abgeschlossen war. Das ist mehrfach betont worden,von meiner Kollegin und vom Minister. Sie müssenuns <strong>zu</strong>gestehen, dass wir die Prüfung erst einmal abschließenmüssen, bevor wir <strong>zu</strong> einem Ergebnis kommen.Ich kann verstehen, dass Sie sich gewünscht hätten,dass die Prüfung schon am 1. Dezember dieses Jahresabgeschlossen gewesen wäre. Aber sie war es <strong>zu</strong> diesemZeitpunkt noch nicht, son<strong>der</strong>n erst sechs Tage später.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt gibt es noch eine Nachfrage <strong>der</strong> KolleginSteiner.Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Danke schön für diese Möglichkeit. Das, was Siegerade sagten, ist genau das Problem. Eigentlich hieß esschon, <strong>der</strong> Transport geht auf die Reise, um es einmal legeraus<strong>zu</strong>drücken, aber es gelingt uns nicht, im Umweltausschussnicht und auch heute nicht, nähere Informationendarüber <strong>zu</strong> bekommen. Deswegen möchte ich inBe<strong>zu</strong>g auf die sicherheitstechnischen Maßnahmen, überdie Sie mit Abteilungsleitern in einer Telefonkonferenzgesprochen haben, fragen: Was haben Sie in diesemRahmen hinsichtlich des konkreten Vorgehens bezüglich<strong>der</strong> Nachrüstung von Atomkraftwerken vereinbart?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich finde es nett, dass Sie jetzt eine <strong>Frage</strong> Ihrer KolleginKotting-Uhl, die konkret nach dieser Telefonkonferenzgefragt hat, jetzt aber nicht hier ist, aufgreifen. Ichkann Ihnen da<strong>zu</strong> nur sagen, dass in dieser Telefonkonferenz,die im Übrigen am 8. September dieses Jahresstattgefunden hat, keine Vereinbarungen <strong>zu</strong>m weiterenVorgehen getroffen wurden. Der Bund hat kein Protokolldieser Telefonkonferenz angefertigt. Deshalb kann ichIhnen da<strong>zu</strong> nicht mehr sagen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt gibt es eine weitere Nachfrage des KollegenSchwabe.(D)
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8863(A)Frank Schwabe (SPD):(C)Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt versucht, <strong>zu</strong>mindestden Zeitraum vom 1. Dezember bis <strong>zu</strong>m6. Dezember dieses Jahres <strong>zu</strong> beleuchten. Was für dieZeit danach dauerhaft folgt, habe ich immer noch nichtverstanden. Deswegen will ich nachfragen: Können Sie<strong>zu</strong>sagen, dass <strong>der</strong> Transport nach Majak dauerhaft nichtstattfindet: ja o<strong>der</strong> nein?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns vorhin bereitsmit dieser <strong>Frage</strong> beschäftigt haben. Da jetzt verschiedene<strong>Frage</strong>n durcheinan<strong>der</strong>geworfen werden, halte ichfest: Ich habe vorhin gesagt, dass <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong>schadlosen Verwertung in <strong>der</strong> Anlage in Majak nichtvorliegt. Es kann natürlich sein, dass dieser Nachweis irgendwannin ferner Zukunft vorliegt. Das kann ich <strong>zu</strong>mjetzigen Zeitpunkt aber nicht beurteilen.Wir haben heute <strong>zu</strong> entscheiden, ob eine Genehmigung<strong>zu</strong>r Ausfuhr erteilt wird. Diese ist nicht erteilt worden,und deshalb erfolgt kein Transport nach Majak.und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagenund die Messungen <strong>der</strong> Umweltradioaktivität im Rahmendes integrierten Mess- und Informationssystems in <strong>der</strong>Umgebung <strong>der</strong> Asse zeigen keine messbaren Einträgevon radioaktiven Stoffen aus <strong>der</strong> Schachtanlage Asse IIo<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Auffälligkeiten.Messbare Effekte in <strong>der</strong> Umgebung resultieren ausdem Reaktorunfall von Tschernobyl bzw. sind auch natürlichenUrsprungs. Die gemessene Hintergrundstrahlung das habe ich in <strong>der</strong> vorvergangenen Woche schonals Antwort auf eine <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Kollegin Höhn gesagt kann nach den vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnissenüber die Entstehung <strong>der</strong> entsprechenden Krebserkrankungennicht Ursache <strong>der</strong> erhöhten Krebshäufigkeitsein, da die Dosis 10 000 Mal höher sein müsste.Heute Frau Steiner, ich kann Ihnen im Augenblicknicht sagen, ob das schon geschehen ist soll <strong>der</strong> Berichtdes Epidemiologischen Krebsregisters Nie<strong>der</strong>sachsenüber Krebshäufigkeiten in <strong>der</strong> Umgebung <strong>der</strong> Asseveröffentlicht werden, <strong>der</strong> morgen auch von einer Expertengruppedes Landkreises diskutiert wird. Darüber hinaussoll er von <strong>der</strong> Strahlenschutzkommission und vomBundesamt für Strahlenschutz geprüft und bewertet werden.(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Die <strong>Frage</strong>n 33 und 34 <strong>der</strong> Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet, ebenso die <strong>Frage</strong> 35des Kollegen Oliver Krischer.Ich rufe die <strong>Frage</strong> 36 <strong>der</strong> Kollegin Dorothea Steinerauf:Besteht die Bundesregierung weiterhin auf ihren Ausführungen,dass mögliche Zusammenhänge zwischen den gehäuftenKrebsfällen in <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse und dem dortigenatomaren Lager gänzlich ausgeschlossen werdenkönnen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich bin <strong>der</strong> Kollegin Steiner dankbar dafür, dass siedie <strong>Frage</strong> gestellt hat, sodass wir jetzt im Rahmen <strong>der</strong><strong>Frage</strong>stunde vielleicht noch einmal den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enSachverhalt im Zusammenhang mit den Krebsfällenin <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse besprechen können.Frau Steiner, vorweg möchte ich <strong>zu</strong>nächst sagen: EineAussage da<strong>zu</strong> ich zitiere jetzt aus Ihrer <strong>Frage</strong> , dassmögliche Zusammenhänge zwischen den Krebsfällenin <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse und dem dortigen atomarenLager gänzlich ausgeschlossen werden können, wurdeseitens <strong>der</strong> Bundesregierung nicht getroffen. Eine <strong>der</strong>artigeAussage kann aufgrund genereller erkenntnistheoretischerGrenzen wissenschaftlicher Aussagen seriös auchnicht getroffen werden.Allerdings kann nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen<strong>der</strong> Umgebungsüberwachung <strong>der</strong> beobachteteAnstieg <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Krebsfälle in <strong>der</strong> SamtgemeindeAsse nicht durch die Strahlenbelastung <strong>der</strong>Asse erklärt werden; denn die Strahlenbelastung daswissen Sie wird seit 1966 erfasst, und die bisherige Umgebungsüberwachungnach <strong>der</strong> Richtlinie <strong>zu</strong>r Emissions-Wir wissen <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt, dass die Anzahl<strong>der</strong> Krebsfälle gestiegen ist, aber wir kennen die genauenindividuellen Daten natürlich noch nicht, dasheißt, wir wissen noch nicht, welchen beson<strong>der</strong>en Expositionendie Erkrankten ausgesetzt waren. Es sind ganzbeson<strong>der</strong>s diese <strong>Frage</strong>n, die wir in diesem Zusammenhangbeantworten müssen. Wir erhoffen uns von demheute vorgestellten Bericht des Krebsregisters eine genauereAufklärung darüber, aber, wie gesagt, ich kenneden Bericht <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt eben noch nicht.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Eine Nachfrage <strong>der</strong> Kollegin Steiner?Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja. Das ist schade, weil es jetzt wirklich schön gewesenwäre, wenn ich diese Zahlen in die Nachfragehätte mit einbeziehen können.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Da stimme ich Ihnen sogar <strong>zu</strong>.Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich möchte ein Stück weiter vorne anfangen. Mitdem, was Sie gerade gesagt haben, haben Sie sich auchin <strong>der</strong> Braunschweiger Zeitung zitieren lassen. Sie habeneinfach einen Umkehrschluss vorgenommen und gesagt:Nach dem, was wir wissen, müsste die Dosis 10 000 Malhöher sein als beobachtet, um Krebsfälle auf Strahlenbelastung<strong>zu</strong>rückführen <strong>zu</strong> können. Das haben Sie auchdamit begründet, dass die Umgebung <strong>der</strong> Asse seit 1966 Zitat lückenlos erfasst wird.Wir halten es für sehr fraglich, dass dies lückenlos erfolgtist. Ich glaube, es ist eher so, dass man zwar die(D)