2. E<strong>in</strong>leitung<strong>Leitfaden</strong> „Flussraumbetreuung <strong>in</strong> Österreich“Ausgehend vom Modellprojekt „Flussraumbetreuung Obere Traun“ erarbeitete e<strong>in</strong>eArbeitsgruppe mit VertreterInnen der Nationalen Wasserwirtschaft und Schutzwasserwirtschaft,der Wildbach- und Law<strong>in</strong>enverbauung, der Österreichischen BundesforsteAG, des Büro Revital und des <strong>WWF</strong> Österreich e<strong>in</strong>en <strong>Leitfaden</strong> für den E<strong>in</strong>satz vonFlussraumbetreuung <strong>in</strong> Österreich. Alle gesammelten Erfahrungen des Modellprojektssowie die Beiträge des Workshops und der Arbeitsgruppe flossen <strong>in</strong> die Erarbeitung desDokuments e<strong>in</strong>. Um e<strong>in</strong> möglichst umfassendes Bild der Flussraumbetreuung zeichnenzu können, wurden darüber h<strong>in</strong>aus vierzehn nationale und <strong>in</strong>ternationale Fallbeispielemit ähnlichen Bestrebungen für die Erstellung herangezogen (siehe Anhang). Projektbeteiligtewurden <strong>in</strong>terviewt und deren Aussagen <strong>in</strong> Form von Zitaten <strong>in</strong> das Dokumente<strong>in</strong>gefügt.2.2 H<strong>in</strong>tergrundNutzung und Veränderung unserer FlüsseDie Flüsse und Bäche unseres Landes s<strong>in</strong>d seit Jahrhunderten die Grundlage vieler Wirtschaftsbereichedes Menschen. Vor allem seit der Entstehung von größeren Siedlungenund Städten sowie dem steigenden Bau- und Brennholzbedarf werden unsere Gewässerund ihre angrenzenden Flächen <strong>in</strong>tensiv genutzt und damit e<strong>in</strong>hergehend Stück umStück verändert. So dienten <strong>in</strong> den alp<strong>in</strong>en Bergbau- und Salzgew<strong>in</strong>nungsregionen Kärntens,Tirols, Oberösterreichs und Salzburgs die Gewässer ab dem 12./13. Jahrhundertvorwiegend der Holztrift (EGGER et al. 2009). Um das Holz mit e<strong>in</strong>em Wasserschwallflussab zu transportieren, wurde das Wasser durch Klausen aufgestaut. Während die früherenKlausen aus Holz bestanden, wurden seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmendSte<strong>in</strong>bauwerke mit e<strong>in</strong>er Höhe von bis zu neun Metern errichtet. Darüber h<strong>in</strong>auswurden alp<strong>in</strong>e Bäche für die Holztrift begradigt bzw. künstliche Kanäle errichtet. Diegrößeren Flüsse Donau, Inn, Salzach, Traun und Enns wurden dagegen für den Güterverkehrgenutzt. Vor allem Salz, Holz, Eisen und We<strong>in</strong> bzw. auch Truppen wurden mithilfevon Flößen und Ruderschiffen transportiert. Flussaufwärts erfolgte der Transport mittelsder Zugkraft von Pferden, für die parallel zum Ufer verlaufende Wege, so genannte Treppel-oder Treidelwege, errichtet wurden. Darüber h<strong>in</strong>aus mussten H<strong>in</strong>dernisse für dieSchifffahrt aus dem Mittel- bzw. Niederwasserbett der Flüsse entfernt werden.Nicht zuletzt die Wasserkraft war Standort bestimmender Faktor für die Entwicklungder Siedlungsräume. Historisch gesehen diente die Wasserkraft zum Antrieb von Mühlenoder Hammerwerken. Dafür wurden unzählige Wehre (Stauanlagen) errichtet; manchmaldirekt am Fluss, wesentlich häufiger aber wurde das Wasser über Kanäle ausgeleitetund zum Mühlwerk geführt. Diese traditionelle Form der Energiegew<strong>in</strong>nung hieltbis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert an, weitere Bedeutung gewann die Wasserkraft jedoch mit derEntwicklung der Elektrizitätsversorgung. Heute ist das energiewirtschaftliche ausbauwürdigePotenzial <strong>in</strong> Österreich zu 75 Prozent erschlossen. Die Anzahl der modernenWasserkraftanlagen ist zwar wesentlich ger<strong>in</strong>ger als die der früheren Mühlanlagen, dieBaumaßnahmen s<strong>in</strong>d jedoch bei weitem massiver und die ökologischen Auswirkungendementsprechend gravierend.Aber nicht nur die Flüsse selbst, sondern auch ihre begleitenden Auenlandschaftenwurden seit Jahrhunderten besiedelt und landwirtschaftlich genutzt (vgl. Abb. 2). Gemäldeund Karten aus dem 18. Jahrhundert zeigen, dass die natürlichen Auwälder häufiggerodet waren und die landwirtschaftliche Nutzung bereits damals bis unmittelbar andie Flussufer reichte (EGGER et al. 2009). Seit dem späten 19. Jahrhundert rückten auchSiedlungen immer näher an die Gewässer heran. Vor allem im Alpenraum, wo nur rund10 bis 20 Prozent der Fläche dauerhaft besiedelbar s<strong>in</strong>d, entwickelten sich die <strong>in</strong>neral-Seite 12
2. E<strong>in</strong>leitungp<strong>in</strong>en Flusstäler zunehmend zu Ballungsräumen (STMUGV 2006, Flussraum AgendaAlpenraum). Mit dieser Entwicklung g<strong>in</strong>gen systematische Hochwasserschutzmaßnahmene<strong>in</strong>her. Diese führten schlussendlich zur Umwandlung der ehemals großräumigenFlusslandschaften zu den „Fluss-Kanälen“ des ausgehenden 20. Jahrhunderts.Abb. 2: Drau beiKleblach 1850 und2007: Der historischeVergleich macht denFlächenverlust amFluss deutlich sichtbar.©Franziszeischer Kataster - Kriegsarchiv Wien; Luftbild- Tichy, AKLR, Abt.18.Gewässerentwicklung – Notwendigkeit und nationale Verantwortung2%9%2% 14%21%8%ökol. ZustandSehr gutGutMäßigUnbefriedigendSchlecht44%ökol. PotentialMäßig und schlechterGutAbb. 3Von der ursprünglichen Ausprägung unserer Fließgewässer ist e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum übriggeblieben. Nur noch 14 Prozent der österreichischen Fließgewässer (E<strong>in</strong>zugsgebiet> 10 km²) bef<strong>in</strong>den sich laut Nationalem Gewässerbewirtschaftungsplan <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emsehr guten, nur 21 Prozent <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten ökologischen Zustand (vgl. Abb. 3). In den70er- und 80er-Jahren prägte die chemische Belastung das Verschmutzungsbild derösterreichischen Gewässer. Heute stellen h<strong>in</strong>gegen vor allem hydromorphologischeBelastungen wie Restwasser, Schwall, Stau, Querbauwerke und die veränderte Morphologiedie Hauptbee<strong>in</strong>trächtigung unserer Gewässer dar. Vor allem die Kumulationder E<strong>in</strong>griffe führte zu weit über die eigentlichen Standorte h<strong>in</strong>aus reichenden Verän-Seite 13