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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Romanistik und Anti-Kommunismus 305<br />

nach „Methoden-Seminaren" zu erheben, war ein großer Teil der<br />

Hochschullehrer überhaupt nicht in der Lage, Zusammenhängendes<br />

über das eigene Fach und dessen Methoden zu sagen.<br />

15. Ein Neubeginn?<br />

Selbstverständlich machte sich das Unbehagen über die theoretische<br />

und methodische Belanglosigkeit des romanistischen Lehrund<br />

Forschungsbetriebes (vor allem in der Literatur- und weniger<br />

in der Sprachwissenschaft) nicht nur bei den am ärgsten Betroffenen,<br />

den Studenten bemerkbar. Sieht man von Erich Köhler ab, der<br />

ohnehin eine Sonderposition einnahm und einnimmt, so kann man<br />

feststellen, daß einige junge Wissenschaftler seit der zweiten Hälfte<br />

der sechziger Jahre intensiver über die Fragen der Wissenschaftstheorie<br />

und der Methodologie nachzudenken begannen, wobei sich<br />

ihre — wie oben ausgeführt: leicht erklärliche — philosophische<br />

und wissenschaftstheoretische Unsicherheit auf die unterschiedlichste<br />

Weise auswirkte. Zunächst einmal bemerkten sie, daß in der<br />

internationalen Forschung Dinge diskutiert wurden, von denen man<br />

in der BRD noch nicht einmal Kenntnis genommen hatte, und sie<br />

begannen diese internationale Diskussion zu rezipieren, wobei sie<br />

unter vielfältigem Drude standen: unter zeitlichem Druck, Erkenntnisse<br />

aufzuarbeiten, unter dem öffentlichen Druck der Studenteninteressen<br />

und — beschränkt man sich auf diese drei Aspekte —<br />

unter dem Druck, in der notwendigen nationalen und internationalen<br />

Diskussion das gerade Rezipierte in eigene Reflexion umzusetzen.<br />

Auf diesem Hintergrund sind die verschiedensten halbfertigen<br />

Resultate erklärbar, die das Licht der Welt erblickten.<br />

Im übrigen war die Gruppe junger Wissenschaftler nicht gerade<br />

sehr groß. Sie bestand genaugenommen nur aus dem jetzigen Bielefelder<br />

Romanisten Harald Weinrich und dem philosophisch wohl am<br />

besten geschulten Konstanzer Literaturwissenschaftler H. R. Jauß<br />

und dessen bemerkenswerter Schule. Erst in jüngster Zeit griffen<br />

auch mit mehr oder weniger großer Kompetenz andere Wissenschaftler<br />

in diese Diskussion ein, u. a. die Erlanger Literaturwissenschaftler<br />

Siebenmann und besonders Pollmann. Sehen wir von<br />

Weinrich ab, der bei seinen eigenwilligen literaturwissenschaftlichen<br />

Versuchen der notwendigen Stellungnahme zur materialistischen<br />

Literaturwissenschaft ausweicht, was ihn streckenweise leider<br />

auch zu etwas legerer Oberflächlichkeit (z. B. in seinem Umgang mit<br />

Walter Benjamin) führt 119 , so überrascht es eigentlich nicht, zu<br />

sehen, wie alle jene Forscher, die sich um eine Neuorientierung<br />

der bundesrepublikanischen Romanistik bemühen, zu Auseinandersetzungen<br />

mit der marxistischen Literaturwissenschaft gezwungen<br />

sind. Dabei ist zunächst ganz belanglos, daß die Resultate eher hilflos<br />

geraten wie Gustav Siebenmanns Über das problematische Ver-<br />

119 Cf. H. Weinrich, Flüchtige Schönheit in Literatur <strong>für</strong> Leser, I.e.,<br />

94 ff.

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