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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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380 Besprechungen<br />

Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konservatismus,<br />

die sich als Antwort auf eine „Krisensituation" (Greiffenhagen) versteht,<br />

reflektiert die gegenüber den frühen apologetischen Versuchen<br />

über den Konservatismus veränderte gesellschaftliche und ideologische<br />

Ausgangsposition: die Entfaltung der gesellschaftlichen Produktivkräfte<br />

im Kapitalismus verlangt Integrationsstrategien, die<br />

sich objektiv am Entwicklungsstand der fortgeschrittenen Produktivkräfte<br />

und nicht an den schwindenden Resten vor- bzw. frühkapitalistischer<br />

Sozialstruktur und deren Ideologie ausrichten. Daraus resultiert<br />

eine „Modernisierung" des Konservatismus (Grebing), die<br />

sich in der Annäherung an technokratische Ordnungsmodelle ankündigt.<br />

Die Kritik an diesen „zeitgemäßen" Formen des Konservatismus<br />

wird danach zu bewerten sein, ob es ihr gelingt, die technokratische<br />

„Modernität" der konservativen Integrationsmodelle als<br />

Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche, d. h. der Rückständigkeit<br />

der kapitalistischen Produktionsverhältnisse gegenüber den Produktivkräften<br />

verständlich zu machen — oder ob sie bewußtlos den<br />

sozio-ökonomischen Prozeß in seinen institutionellen Erscheinungen<br />

bzw. seinem ideologischen Niederschlag verfolgt und in dem akzeptierten<br />

Rahmen „kritisch" widerlegt.<br />

Die Arbeit Martin Greiffenhagens ist eindeutig der letztgenannten<br />

Richtung zuzuschlagen. Sie befaßt sich mit „Grundstrukturen konservativen<br />

Denkens in Deutschland, nicht mit der Geschichte des Konservatismus<br />

und nicht mit deutscher konservativer Politik" (12), sie<br />

beruft sich auf die „Tradition deutscher .Geistesgeschichte'" (16). <strong>Das</strong><br />

gleichwohl nicht geleugnete Unbehagen an derart verdünnter Kritik<br />

und „<strong>Theorie</strong> konservativen Denkens" (11) beschwichtigt Greiffenhagen<br />

mit dem Hinweis auf das bündige und seinerseits konservativer<br />

<strong>Argument</strong>ation entstammende Diktum von der Trennung von<br />

„Geist und Politik in Deutschland" (15). Die methodischer Inkonsequenz<br />

und mangelnder Distanz zum Kritisierten selbst abgewonnene<br />

Beschränkung auf ideengeschichtliche „Konstanten im deutschen<br />

konservativen Denken" (15) von Adam Müller und Friedrich Julius<br />

Stahl bis zu Arthur Möller van den Bruck, Hans Freyer und Arnold<br />

Gehlen raubt noch den wichtigsten Einsichten Greiffenhagens ihren<br />

gesellschaftlichen Erkenntniswert. Dazu gehört fraglos der Nachweis<br />

der „prinzipielle(n) Gleichursprünglichkeit konservativen und rationalistischen<br />

Denkens" (22) und das „Dilemma" des Konservatismus,<br />

sich nur „im Umweg über seinen definitorischen Gegner, den aufklärerischen<br />

Rationalismus" bestimmen zu können (66). Erinnert ist hier<br />

an den Charakter bürgerlicher Ideologie als „notwendig falschem<br />

Bewußtsein" nicht weniger als an den historischen Umschlag von der<br />

Befreiungs- zur Herrschaftsideologie. Doch wird die „Dialektik der<br />

Aufklärung", die stets auch eine der bürgerlichen Klasse und ihrer<br />

Stellung im Produktionsprozeß war, abgeschwächt zu einer bloßen<br />

„Reflexionssituation" (69), Rationalismus selbst reduziert äuf „Prinzipien"<br />

wie Zweifel, System, Analyse, Gesetz und Fortschritt (62 ff.).<br />

In ihnen erscheint die geschichtliche Bewegung insgesamt gereinigt<br />

von den gesellschaftlichen Widersprüchen als „geistiger" und rein

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