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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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306 Michael Neriich<br />

hältnis von Literatur und Wissenschaft. (Ein Diskussionsbeitrag aus<br />

romanistischer Sicht) 120 oder nicht immer aus erster Hand stammen<br />

wie in Leo Pollmanns Literaturwissenschaft und Methode, in der<br />

sich eine deutlich am Gegenstand der eigenen Darstellung interessierte,<br />

nicht wie üblich von vornherein ablehnende Zusammenfassung<br />

einiger Gedanken von Erich Köhler findet 121 : diese Arbeiten stellen<br />

eindeutig einen großen Schritt in Richtung Befreiung von provinzieller<br />

Borniertheit der bundesdeutschen Romanistik dar. Die wichtigsten<br />

Beiträge zu einer Neuorientierung der bundesdeutschen<br />

Literaturwissenschaft im allgemeinen und der Romanistik im besonderen<br />

stammen jedoch ohne Zweifel von Hans Robert Jauß, an<br />

dessen programmatischer Schrift Literaturgeschichte als Provokation<br />

der Literaturwissenschaft sich der — von Erich Köhler wiederum<br />

abgesehen — fortgeschrittenste Stand der romanistischen Marxismus-Diskussion<br />

in der BRD, gleichzeitig aber auch die Problematik<br />

dieser Diskusison ablesen lassen. Jauß verurteilt die herkömmliche<br />

positivistische Literaturgeschichtsschreibung, wie sie<br />

problemlos in der BRD betrieben wurde und wird, und er stellt<br />

erneut die Schillersche Frage nach dem „Was heißt und zu welchem<br />

Ende". Er findet weder in den idealistischen noch in den positivistischen<br />

Varianten der Literaturgeschichtsschreibung eine befriedigende<br />

Antwort und glaubt, die Lösung der Literaturgeschichts-<br />

Problematik sei zwischen der Literatursoziologie und der Werkimmanenz<br />

auszutragen: „Sie haben die Kluft zwischen Geschichte<br />

und Dichtung noch vertieft. <strong>Das</strong> zeigt sich am schärfsten in der<br />

gegensätzlichen Literaturtheorie der marxistischen und der formalistischen<br />

Schulen, die im Mittelpunkt meines <strong>kritische</strong>n Überblicks<br />

über die Vorgeschichte der gegenwärtigen Literaturwissenschaft<br />

stehen soll 122 ." Diese „gegensätzliche Literaturtheorie" demonstriert<br />

Jauß dann am Beispiel der Auseinandersetzung zwischen den russischen<br />

Formalisten, von denen er vor allem Eichenbaum, Tynjanov,<br />

Schklovskij zitiert, und „den Marxisten".<br />

Die Absicht von Jauß ist, in dieser Schrift, die 1967 in einer<br />

ersten Version in Konstanz erschien (in der Folge Konstanz), die<br />

Ausarbeitung einer „Rezeptions- und Wirkungsästhetik" zu liefern,<br />

von der her die „traditionelle Produktions- und Darstellungsästhetik"<br />

Umfunktionierung und Neuorientierung erlangen könnte. Jauß<br />

unternimmt, wie er schreibt, den Versuch, „das im Streit der marxistischen<br />

und der formalistischen Methoden offengebliebene Problem<br />

der Literaturgeschichte wieder aufzugreifen. Mein Versuch,<br />

die Kluft zwischen Literatur und Geschichte, historischer und ästhetischer<br />

Erkenntnis zu überbrücken, kann an der Grenze ansetzen,vor<br />

der beide Schulen stehengeblieben sind 128 ". <strong>Das</strong> Operationsfeld<br />

<strong>für</strong> diesen Versuch ist der „Erwartungshorizont" des Publikums, den<br />

120 Germaniisch-Romanische Monatsschrift, 1970, 121—145, 137.<br />

121 Frankfurt/M. 1971, 2 Bde., 126 ff.<br />

122 Konstanz 1967, 17.<br />

123 Ib. 26.

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