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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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<strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" 271<br />

Verfolgen wir die Konstruktion weiter, die dem Arbeiter Ansehen<br />

und Würde verschaffen wollte. Da die materielle Lage der<br />

Arbeiter im Faschismus schlecht war und es vieler Fürsorgeeinrichtungen<br />

des Staates und der Betriebe bedurfte, bestand die Gefahr,<br />

daß der ganze Schwindel und Betrug der „Würde des deutschen Arbeitsmannes"<br />

aufflog. Deshalb mußte darauf geachtet werden, daß<br />

die Sprache die Faschisten nicht verriet. .„Wohlfahrt' ist an sich ein<br />

gutes deutsches Wort und hatte ursprünglich einen geraden und unverfänglichen<br />

Sinn. Aber es hat nun mal in einer bösen Zeit einen<br />

schlechten Beigeschmack erhalten. Die Wohlfahrtseinrichtungen von<br />

früher sind aus einem ganz anderen Geist entstanden als die Gemeinschaftseinrichtungen<br />

unserer Musterbetriebe. <strong>Das</strong> .Amt Schönheit<br />

der Arbeit' hatte deshalb von Anfang an darauf gedrungen,<br />

Bezeichnungen wie ,Wohlfahrtseinrichtungen' oder .Abteilung <strong>für</strong><br />

soziale Fürsorge' aus dem Sprachschatz unserer Betriebe zu streichen.<br />

Einrichtungen, die zur Pflege der Betriebsgemeinschaft (!) geschaffen<br />

werden, sollen ,Gemeinschaftsanlagen', .Gemeinschaftsräume'<br />

und .Gemeinschaftseinrichtungen' heißen. In einem Betrieb<br />

in Thüringen hängt an der Tür einer solchen Abteilung das Schild<br />

,Abteilung Betriebspflege und Arbeitsfreude'. <strong>Das</strong> ist eine schöne<br />

Bezeichnung <strong>für</strong> diese Tätigkeit..." (232). Jedoch ist auch hier die<br />

Produktion des schönen Scheins nicht so geschlossen, daß nicht ab<br />

und zu die tatsächliche Beurteilung der Arbeiter durch das Kapital<br />

hindurchbricht. Bei einer Empfehlung des „Taschenbuchs Schönheit<br />

der Arbeit" zur Errichtung von Kindergärten in den Betrieben steht<br />

folgendes: „So, wie es in manchen Betrieben gemeinsame Lager- und<br />

Stapelplätze und andere Einrichtungen gibt, sollte es auch bald in<br />

genügender Anzahl Kinderspielplätze geben" (186). Auch in dem<br />

Abschnitt „Betriebsführer haben Einfälle" ist der Standpunkt des<br />

Kapitals illustriert. „Um ihnen (vier Arbeitskameraden) die tägliche<br />

Radfahrt von 40 Kilometern zu ersparen, stellte ihnen der Betriebsführer<br />

ein Auto zur Verfügung, in dem sie jetzt die tägliche An- und<br />

Abfahrt zurücklegen" (231). Zu diesem Texte hatte ein Künstler<br />

namens Peter Landhoff eine Zeichnung gemacht, die die 4 Arbeiter<br />

in einem Auto zeigte. Alle vier in Sonntagsanzügen, einem wurde<br />

folgender Satz in den Mund gezeichnet: „ . . . und früher kamen wir<br />

schon völlig erschöpft an unserem Arbeitsplatz a n . . . " (231)! Bei<br />

seinen Wohltaten, Inszenierungen und „ Kameradschaf tliche(n)<br />

Sorge(n)" ging es dem Kapital nur darum, aus den Arbeitern willfähriges<br />

Ausbeutungsmaterial, Ausbeutungsobjekte zu machen.<br />

3. „Kraft durch Freude"<br />

Karl Marx hat nachgewiesen, wie die individuelle Konsumtion der<br />

Arbeiterklasse ein Moment im Prozeß der Produktion und Reproduktion<br />

des Kapitels ist 14 , „individuelle Konsumtion" meint den<br />

Prozeß der Erhaltung der Arbeitskraft. Momente dieses Prozesses<br />

sind Essen, Trinken etc. genauso wie kulturelle Betätigung, Sport,<br />

14 Karl Marx, <strong>Das</strong> Kapital, S. 597,

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