Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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358 Besprechungen<br />
erlesener" (W. Kayser) zum <strong>für</strong> die Geschichte dieser Wissenschaft<br />
folgenreichsten methodischen Prinzip erhob, will Glaser lediglich<br />
eingeschränkt sehen auf die Interpretation impressionistischer und<br />
expressionistischer Werke (347). Doch die Uneinheitlichkeit des Buches<br />
verweist auch gerade auf seine Qualität, denn was uneinheitlich<br />
ist, ist nicht einheitlich schlecht,, im Gegenteil, einige der hier<br />
gesammelten Aufsätze sind von außerordentlicher Qualität.<br />
Zu diesen gehört Thomas Metschers Beitrag über „Hegel und die<br />
philosophische Grundlegung der Kunstsoziologie". Metscher stellt<br />
sich voll auf den Standpunkt der Hegel-Kritik von Marx und Engels,<br />
nicht jedoch primär, um an der Ästhetik nochmals das zu kritisieren,<br />
was Marx bereits an der Rechtsphilosophie kritisiert hat, sondern<br />
um sie, ohne sich — wie schon Engels empfahl — unnötig lange bei<br />
Hegels methaphysischen Konstruktionen aufzuhalten, als erste<br />
Kunstsoziologie zu lesen, „die alle Aspekte im Verhältnis von Kunst<br />
uhd Gesellschaft umfaßt" (14), also um sie <strong>für</strong> die materialistische<br />
Literaturtheorie fruchtbar zu machen. Metscher deckt den „latent<br />
materialistischen Charakter" (51) von Hegels Kunstdefinition und<br />
dessen Funktionsbestimmung der Kunst auf, er folgt ihm, wo dieser<br />
die Vermittlung des „allgemeinen Weltzustands" mit ästhetischen<br />
Formen und Inhalten aufweist, er verfolgt schließlich auch Hegels<br />
Bestimmungen der gesellschaftlichen Folgen der Kunst, etwa die des<br />
Verhältnisses von Kunst und Publikum. In bezug auf die Fragestellung<br />
des Bandes kann er resümieren: „Mit Hegels <strong>Theorie</strong> der<br />
ästhetischen Handlung — in der dialektischen Bewegung des Weltzustandes<br />
zur Situation und Handlung — ist zumindest das methodologische<br />
Rätsel einer solchen Vermittlung . . . zwischen den Resultaten<br />
der ästhetischen Organisation gesellschaftlicher Materialien<br />
und diesen selbst als dem gesellschaftlichen Substrat der künstlerischen<br />
Formen . . . gelöst (61).<br />
Auch Peter Hahn knüpft bei der Bestimmung „Theoretische(r)<br />
Möglichkeiten eines gesellschaftsbezogenen Kunstbegriffs an Hegel,<br />
Herder und Schiller an, an die Literaturtheorie aus einer Epoche des<br />
Bürgertums, wo dieses die Erkenntnis der Gesellschaftlichkeit des<br />
literarischen Produkts noch, nicht zu <strong>für</strong>chten hatte. Durch Ontologisierung<br />
dieser nur aus einer bestimmten historischen Lage der bürgerlichen<br />
Klasse in Deutschland zu erklärenden Kunsttheorien wie<br />
z. B. der Schillerschen Definition der sentimentalischen Dichtung als<br />
Vorwegnahme eines fernen Ideals gewinnt er dann in ausdrücklicher<br />
Absetzung gegen die „Anwendung der Widerspiegelungsthese auch<br />
<strong>für</strong> die Kunst" (153) einen Begriff von „Kunst als Ideologie und<br />
Utopie", dem er durch die Berufung auf die Marxschen Frühschriften<br />
vergeblich die <strong>kritische</strong> Weihe zu geben versucht.<br />
B. J. Warneken geht hingegen bei seiner Kritik der positivistischen<br />
Literatursoziologie vom Standpunkt der Marxschen Kritik der Politischen<br />
Ökonomie aus, obgleich die Vermittlung dieses Ausgangspunktes<br />
mit der Literaturwissenschaft ihm nicht immer gelingt, teilweise<br />
durch Analogien ersetzt wird, was seine wichtigste Ursache in<br />
einer letztlich doch affirmativen Adorno-Rezeption haben dürfte.