30.01.2013 Aufrufe

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

254 Gerhard Voigt<br />

Kulturkritik und zu den mittelständischen Ideologien der ,Ungleichzeitigkeit',<br />

die durch die Protektion des Staates mächtig blieben,<br />

stand aber in keinem Widerspruch zur Tendenz des realen Herrschaftsprozesses,<br />

der im Faschismus mündete" (52). „Man sieht, daß<br />

in der intellektuellen Mode der reale Herrschaftsprozeß abgeblendet<br />

ist" (29). Realer Herrschaftsprozeß: das meint die Entwicklung zum<br />

Faschismus, und aus der Tatsache, daß der Faschismus nicht verhindert<br />

wurde, schließt Lethen offensichtlich, daß er nicht verhindert<br />

werden konnte. „Denn in dem Augenblick, wo der Bourgeoisie die<br />

Widersprüche über den Kopf zu wachsen drohten, wurde ihre soziale<br />

Position durch staatliche Exekutivgewalt gerettet" (125). Nicht der<br />

(hier an Thalheimer orientierten) These, daß der NS die soziale Position<br />

der Großbourgeoisie rettete, ist zu widersprechen, sondern der<br />

fatalistischen Hinnahme dieses Prozesses, die suggeriert, daß das<br />

Mittel des Faschismus der Bourgeoisie beliebig zur Verfügung<br />

stünde und nicht, solange diè Kraft der Arbeiterklasse <strong>für</strong> eine siegreiche<br />

Revolution nicht hinreicht, von einem breiten demokratischen<br />

Bündnis verhindert werden könnte. Die gravierenden Fehler der<br />

KPD in der antifaschistischen Bündnispolitik bleiben bei Lethen<br />

daher auch weitestgehend unerwähnt 2 8 .<br />

Lethens abstrakte Rigidität bei der Polarisierung zwischen linksbürgerlichen<br />

Intellektuellen und klassenbewußtem Proletariat sowie<br />

seine Einschätzung des Faschismus als beliebig anwendbares Herrschaftsmittel<br />

des Kapitals haben allem Anschein nach ihre Wurzel in<br />

einer mechanistischen Bestimmung kapitalistischer Entwicklung.<br />

Lethen gesteht auf „kommunistische Theoretiker" (53) eingehend zu,<br />

daß die materiellen Voraussetzungen des Sozialismus im Schoß der<br />

kapitalistischen Gesellschaft erwächst, dergestalt, daß die fortschreitende<br />

Monopolisierung und Rationalisierung der kapitalistischen<br />

Produktion den Widerspruch zwischen der zunehmenden Vergesellschaftung<br />

der Produktion und ihrer privaten Aneignung auf immer<br />

höherer Ebene reproduziert. Dagegen, genauer gegen das Mißverständnis,<br />

das anscheinend aber auch Lethens Mißverständnis ist,<br />

diese revolutionäre Zuspitzung der dem Kapitalismus immanenten<br />

Widersprüche erfolge linear und ohne Rückschläge, wendet Lethen<br />

die historische Erfahrung des Faschismus. Er sei, das habe auch<br />

Gramsci festgestellt, „,zu einer Maschine <strong>für</strong> die Erhaltung des<br />

Bestehenden und nicht zu einer Antriebsfeder' des industriellen<br />

Fortschritts geworden" (54). Und Lethen fügt hinzu: „Es war also<br />

falsch, sich den Prozeß des kapitalistischen Fortschritts als einen Prozeß<br />

der Selbstläuterung vorzustellen, in dem der Kapitalismus alle<br />

28 <strong>Das</strong> hat seine Ursache auch darin, daß Lethen gleich bei seiner<br />

einleitenden Bestimmung der Neuen Sachlichkeit (vgl. die Einleitung dieses<br />

Aufsatzes) die Arbeiten sozialistischer Künstler definitorisch als nicht<br />

zum Thema gehörig ausscheidet. Dieses zuerst sehr einleuchtend erscheinende<br />

Verfahren ist aber eine Ursache da<strong>für</strong>, daß ihm die Möglichkeit der<br />

Weiterentwicklung der Neuen Sachlichkeit zum Proletarischen Realismus,<br />

die Schmied noch ausführlich bestreiten mußte, überhaupt nicht mehr in<br />

den Blick kommt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!