Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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<strong>Das</strong> Amt „Schönheit der Arbeit" 265<br />
würdigen Gesamtgestaltung der Betriebe" (46) danach streben,<br />
„durch guten Geschmack und eigene Note . . . seinen Betrieb gegen<br />
den benachbarten abzugrenzen" (46).<br />
Die ökonomische Grundlage dieses Konkurrenzkampfes ist die<br />
Notwendigkeit, das Warenkapital zu realisieren. Wenn Realisationsschwierigkeiten<br />
auftreten, so wird der Kampf um die Marktanteile<br />
auch durch den verstärkten Einsatz ästhetischer Mittel geführt.<br />
Wenn jedoch die Realisationsschwierigkeiten geringer werden, besteht<br />
auch die Möglichkeit, den Einsatz ästhetischer Mittel in der<br />
Zirkulation zu verringern. Für die Teile des gesellschaftlichen Kapitals,<br />
die Rüstungsgüter produzierten, existierten kaum Schwierigkeiten,<br />
sie hatten ihr Warenkapital nicht auf dem freien Markt zu<br />
realisieren, da sie <strong>für</strong> den staatlichen Bedarf produzierten. Die ökonomischen<br />
Verhältnisse ernötigten keine groß anglegten Werbekampagnen.<br />
Für das Kapital dagegen, dessen Warenkapital stofflich<br />
Lebensmittel bildete, war es so: Die individuelle Konsumtion hatte<br />
sich radikal demokratisiert, d. h. zwischen dem Angebot an Luxusprodukten<br />
<strong>für</strong> die Herrschenden und dem Angebot an Lebensmitteln<br />
<strong>für</strong> die Beherrschten lag kaum noch das Angebot <strong>für</strong> den „gehobenen<br />
Bedarf", denn große Teile der einfachen Warenproduzenten<br />
und der Zwischenschichten wurden dem Einkommen nach auf das<br />
Lohnniveau der Arbeiterklasse hinabgedrückt. 1 h der in der Konsumtionsmittelindustrie<br />
produzierten Waren waren Rüstungsgüter<br />
und erschienen nicht auf dem „freien Markt". Konsumtionsmittel<br />
waren knapp, das Angebot niedriger als die Nachfrage, die Konkurrenz<br />
unter den Anbietern von Lebensmitteln nahm ab und verschwand<br />
fast völlig. Da in der Rüstungsindustrie die Profite am<br />
höchsten waren und eine Abnahme der Nachfrage nicht zu be<strong>für</strong>chten<br />
war, drängten nicht Teile des gesellschaftlichen Kapitals in den<br />
zivilen Sektor der Konsumtionsmittelindustrie. Deshalb stieg das<br />
Angebot kaum, und so konnte auf kostspielige Werbekampagnen<br />
verzichtet und der billigere Schein der Gediegenheit gepflegt werden.<br />
Der in diesem Zusammenhang wichtige ökonomische Effekt ist die<br />
Einsparung von Zirkulationskosten. „Widerspruch in der kapitalistischen<br />
Produktionsweise: Die Arbeiter als Käufer von Ware sind<br />
wichtig <strong>für</strong> den Markt. Aber als Verkäufer ihrer Ware — der Arbeitskraft<br />
— hat die kapitalistische Gesellschaft die Tendenz, sie auf<br />
das Minimum des Preises zu beschränken 6 ." Die Arbeiterklasse verlor<br />
als Käufer von Ware relativ an Bedeutung gegenüber ihrer Funktion<br />
als Verkäufer von Ware. Als Käufer von Waren war sie eingeschränkt,<br />
weil zu wenig Lebensmittel auf dem Markt angeboten<br />
wurden. Die Nachfrage nach Arbeitskraft stieg, jedoch waren die<br />
Löhne gesetzlich festgelegt, und so war die Arbeiterklasse auch als<br />
Verkäufer von Ware eingeschränkt. Doppelter Unzufriedenheit<br />
mußte also begegnet werden: Einerseits der über zu wenig Lebensmittel,<br />
andrerseits der über zu niedrigen Lohn.<br />
6 K. Marx, <strong>Das</strong> Kapital, Bd. 2, MEW Bd. 24, S. 318.