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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Romanistik und Anti-Kommunismus 281<br />

neuen Frankreich 16 in seiner französischen Variante vorstellte:<br />

André Gide, Romain Rolland, Paul Claudel, André Suarès und Charles<br />

Péguy. <strong>Das</strong> war mit Ausnahme Romain Rollands (aber mit Einschluß<br />

Gides, der zu dem Zeitpunkt noch keinen Hang nach „links"<br />

verspürte) eine qualitätsvolle Auswahl edelkonservativer, ja, z. T.<br />

reaktionärer Franzosen, und Walter Benjamin vermerkte denn auch<br />

bereits 1919 ganz zu Recht: „<strong>Das</strong> Buch von Curtius . . . werde ich audi<br />

lesen. Es ist ja vorderhand das einzige, was es hierüber gibt. Daß es<br />

ahnungslos ist, erweist ja schon die Zusammenstellung der im Titel<br />

genannten Autoren ebendort mit Romain Rolland 17 ."<br />

Curtius aber befand: „Es handelt sich um eine Auslese dessen, was<br />

auf dem Boden des zeitgenössischen französischen Schrifttums einer<br />

gemeinsamen neuen Geisteswelt Europas zuwächst. Deshalb war<br />

alles auszuschließen, was rein innerfranzösische Bezüge hat: was nur<br />

Fortsetzung französischer Tradition ist, vor allem die nationalistische<br />

und neuklassizistische Literatur 18 ." Daß diese Orientierung einer<br />

Wissenschaft, die erklärtermaßen „völkerversöhnend" 19 wirken<br />

wollte, an der Basis immer noch nationalistisch war, beweist die<br />

weitere Entwicklung von Curtius, bei dem auf die Liebeserklärungen<br />

an das konservative Frankreich bald der Katzenjammer folgte 20 :<br />

zum Verhängnis nicht zuletzt der reichs- und bundesdeutschen Romanistik.<br />

4. Der reine Geist<br />

Bei allen Differenzen im Detail war und ist man sich unter den<br />

reichs- und bundesdeutschen Geisteswissenschaftlern über eines immer<br />

einig: der „Geist", was auch immer das sein mag, muß „rein"<br />

und „uninteressiert" sein. Mit anderen Worten: Wissenschaft und<br />

Politik sind ihrer Meinung nach unvereinbar: „Man sorge <strong>für</strong> strenge<br />

und unerbittlich <strong>kritische</strong> Wachsamkeit über jeden, der politische<br />

und nationalistische Tendenzen in die Wissenschaft trägt", forderte<br />

Benedetto Croce in seiner Einleitung zu Karl Vosslers Die romanischen<br />

Kulturen und der deutsche Geist, „man übe sich selbst und die<br />

anderen in der Beobachtung haarscharfer Ehrlichkeit des Erkenntniswillens:<br />

und man wird <strong>für</strong> die lebendige Erhaltung der Einheit<br />

der Kultur, der menschlichen Eintracht und Brüderlichkeit etwas<br />

geleistet und die erhabene Civitas, als deren Bürger wir uns alle<br />

zusammenfinden, die echte Civitas humani generis befestigt und<br />

16 Die erste Ausgabe erschien 1918. Im folgenden ist die erweiterte<br />

Ausgabe benutzt, die mit dem Titel Französischer Geist im zwanzigsten<br />

Jahrhundert erschien (Bern/München 21960). Hinzugekommen waren<br />

Essays über Proust, Valéry, Larbaud, Maritain, Bremond.<br />

17 Briefe, Frankfurt/M. 1966, 2 Bde., I, 228.<br />

18 Französischer Geist im zwanzigsten Jahrhundert, ed. cit., 5.<br />

19 F. Clément, <strong>Das</strong> literarische Frankreich von heute, Berlin 1925, 8.<br />

20 Cf. zur Entwicklung des Curtiusschen Frankreich-Bildes: Victor<br />

Klemperer, <strong>Das</strong> neue deutsche Frankreichbild (1914—1933), II, Beiträge zur<br />

romanischen Philologie, 1963, Heft 1, 88—89; Heft 2, 70 ff.

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