Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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2<strong>72</strong> Chup Friemert<br />
Wandern und Erholungsreisen. Wenn nun der Faschismus durch das<br />
„Amt <strong>für</strong> Schönheit der Arbeit" da<strong>für</strong> sorgte, daß einerseits genügend<br />
Sportstätten errichtet und andrerseits staatlich organisierte Erholungsreisen<br />
durchgeführt wurden, so war das kein Selbstzweck,<br />
sondern sollte dazu dienen, „die Gewähr <strong>für</strong> die Gesunderhaltung<br />
der Werktätigen, des wertvollsten Teils unseres Volkes" (259) zu<br />
garantieren. „Sport und Spiel . . . machen hart und leistungsfähig,<br />
tatkräftig und selbstbewußt" (170). Dieses allgemeine Programm, die<br />
Arbeitskraft zu erhalten und dies nicht nur dem Selbsterhaltungstrieb<br />
der Arbeiter zu überlassen, ist in den Ausführungen des „Taschenbuchs<br />
Schönheit der Arbeit" noch detaillierter ausgeführt. Die<br />
Maßnahmen, die von staatlicher Seite dem Kapital vorgeschlagen wurden,<br />
richteten sich „nach den Gegebenheiten der Arbeit im Betrieb"<br />
(62). „Wer eintönige, sitzende Arbeit verrichtet, wird in den Pausen<br />
und nach Arbeitsschluß das Bedürfnis zu körperlicher Bewegung<br />
haben. Wer dagegen eine Arbeit hat, die mit erheblicher körperlicher<br />
Anstrengung verbunden ist, wird vielmehr in der Pause den Wunsch<br />
haben, auf einer bequemen Sitzbank oder im Grase dahingestreckt<br />
in völliger Ruhe zu verharren" (162). Jedoch nicht nur die Regeneration<br />
der Arbeitskraft während der Arbeitspausen oder nach Feierabend<br />
war der Gegenstand der Anstrengungen. Bekannt ist das<br />
Unternehmen „Kraft durch Freude", das Ausflüge und hauptsächlich<br />
Urlaubsfahrten organisierte. „Dr. Ley hat einmal gesagt, daß der<br />
Betriebsführer um den Urlaub seiner Gefolgschaft eigentlich noch<br />
mehr besorgt sein müßte als die Gefolgsmänner selbst, weil der Betrieb<br />
es ist, der den meisten Vorteil davon hat, wenn der Gefolgsmann<br />
aus einem gesunden und vernünftig verbrachten Urlaub<br />
froh und gekräftigt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.<br />
Der Wahrheit dieser Erkenntnis wird sich wohl niemand verschließen<br />
können" (184). Ein Betriebsführer schreibt denn auch sehr zufrieden<br />
dem „Amt <strong>für</strong> Schönheit der Arbeit" : „Eine KdF-Reise kann<br />
Wunder w i r k e n . . . Da wird der Mensch wirklich frei und froh,<br />
kommt wie neugeboren heim" (228). Die „mannigfachen kleinen<br />
Hemmungen" (228), die manche Arbeiter dann aber doch davon abhielten,<br />
mit KdF eine Reise zu machen, wurden von einerh Betriebsführer<br />
erschnüffelt. Er stellte fest: „Ein Reisehinderungsgrund wiederholte<br />
sich öfters: es fehlte an der richtigen Ausrüstung" (228).<br />
Er richtete einen KdF-Schrank ein, in dem vom Regenmantel über<br />
Koffer und Decken bis zu Ferngläsern und Fotoapparaten alles enthalten<br />
war und den KdF-Reisenden leihweise zur Verfügung gestellt<br />
wurde. Daß bei jeder KdF-Reise, die per Schiff an fremden<br />
Küsten vorbeiführte, mindestens ein Spitzel mitgeschickt wurde 15 ,<br />
stand nicht im „Taschenbuch Schönheit der Arbeit" und war auch<br />
nicht am KdF-Schrank vermerkt. Die allen Berichten 1 ® gemeinsame<br />
Feststellung lautet: „Über Politik wurde nicht gesprochen", anscheinend<br />
war es den Faschisten gelungen, die Arbeiter so weit zu ent-<br />
15 SD-Berichte von KdF-Reisen.<br />
16 SD-Bericht, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Zeitgeschichte, München, MA 641 77 2709.