Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Soziale Bewegung und Politik 383<br />
rität, deren Ursprung sicher audi <strong>für</strong> Helga Grebing auf den Grundwiderspruch<br />
von Lohnarbeit und Kapital zurückgeht, werden explizit<br />
jedenfalls nicht als Resultat der kapitalistischen Produktion, sondern<br />
als Probleme der angeblich verselbständigten Sphäre der Zirkulation<br />
und Distribution behandelt. Demokratisierung wird <strong>für</strong> Grebing zum<br />
Problem der Verteilung des Sozialprodukts, nicht der gesellschaftlichen<br />
Organisation der Produktion selbst. Die „Transformation" des<br />
liberalen Staats zum „Wohlfahrts- und Sozialstaat", die Verlagerung<br />
des Klassenkampfs in die Konsumsphäre bzw. seine Auflösung in<br />
Gruppenkonflikte werden nicht als Ideologie durchschaut und im<br />
Zusammenhang mit den Problemen staatsmonopolistischer Regulierung<br />
der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion erörtert,<br />
sondern als Folge einer „Fundamentaldemokratisierung" (424) auf<br />
der staatlichen Ebene der Steuerung und Verteilung des Sozialprodukts<br />
dargestellt: der Staat wird zum „Verteilerstaat" (238); über<br />
den Staat als „dezentralisierte(s), pluralistische(s) Steuerungssystem"<br />
(118) soll sich Gleichheit in „Formen der pluralistischen Machtverteilung"<br />
und der „sozialen Gewaltenteilung" (ibd.) durchsetzen. Über<br />
den Kapitalismus herrschen insgesamt falsche Vorstellungen. Der<br />
gesellschaftliche Charakter des Produktionsprozesses verflüchtigt sich<br />
in einer technisch-pluralistischen Terminologie: so ist vage und wahllos<br />
die Rede von der „durchrationalisierten fortgeschrittenen Industriegesellschaft"<br />
(98), vom „industriell-technischen Prozeß" (237),<br />
von „hochindustrialisierter Gesellschaft" (364), „Wohlstands-" (368)<br />
und „Massengesellschaft" (374) — gleichzeitig aber von „kapitalistischem<br />
Produktionsprozeß" (364). Der Nähe zur technokratischen Terminologie<br />
entspricht die Abstraktheit der demokratischen Perspektive.<br />
Sie nährt sich von den Illusionen der Freizeitdemokratie (242),<br />
der Hoffnung auf die „demokratisierende(n) Effekte, die die Entwicklung<br />
der Produktivkräfte hervorruft" (424) bzw. den „permanente(n)<br />
Progreß sozialer Demokratisierung" (370). Als Floskel ist aber auch<br />
die „massendemokratische Spontaneität und gruppenpluralistische<br />
Selbstbestimmung" (375) <strong>für</strong> die herrschende Klasse akzeptabel.<br />
Grebings Arbeit läßt, sicher ungewollt, den Eindruck entstehen, als<br />
stünden lediglich die Zirkulationsagenten und die deutschen Staatsrechtslehrer<br />
als deren Ideologen und nicht das Kapital zwischen den<br />
arbeitenden Massen und den Produkten ihrer Arbeit.<br />
Lutz Winckler (Tübingen)<br />
Soziale Bewegung und Politik<br />
Niethammer, Latz: A n g e p a ß t e r F a s c h i s m u s . Politische<br />
Praxis der NPD. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1969 (288 S.,<br />
brosch., 10,— DM).<br />
Zu der „zusammenfassenden Interpretation" (9) der Voraussetzungen<br />
und der nationalistischen Propaganda selbst sowie der Geschichte<br />
rechtsextremistischer Parteien in Deutschland (!) nach dem