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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Philosophie 351<br />

ist der gute Wille nicht abzusprechen, freilich können seine Lösungsvorschläge<br />

selten überzeugen. Sie lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:<br />

1. Gegen methodisches Spezialistentum setzt Hermand einen<br />

„historisch fundierten Universalismus" (10), eine „vertiefte Geschichtlichkeit,<br />

die wieder ins Universale, ja Menschheitliche tendiert"<br />

(12).<br />

2. Dazu gehört „allerdings ein historisches Bewußtsein, das diese<br />

Welt nicht nur als eine dem Verfall anheimgegebene, sondern zugleich<br />

als eine veränderbare betrachte" (11). Mit anderen Worten,<br />

Hermand verficht eine Rückbesinnung auf die „ehemalige Fortschrittsgläubigkeit"<br />

(11). Dem entspricht ein Kunstbegriff, dem nicht<br />

das Schöne oder das Originelle wesentlich ist, sondern das „Neue".<br />

„Der Wert einer solchen Kunst bestände daher hauptsächlich im<br />

Entwicklungsgeschichtlichen, d. h. in der Aufdeckung jener historischen<br />

Spiralbewegung oder Kulturdialektik, ohne die wir uns selbst<br />

nicht begreifen können" (237).<br />

3. Praktisch soll diese Aufdeckung der Qualität des „Neuen" in der<br />

Kunst durch das „Synthetische Interpretieren", „eine methodische<br />

Re-Integration" (173), die „Mehrschichtentheorie" (10) u.ä. geleistet<br />

werden. Empfohlen werden interdisziplinäre Teams, die sich vor<br />

allem der Epochen- und Stilforschung widmen sollen.<br />

Wie die älteren Vertreter der Literaturwissenschaft stellt H. Faktoren<br />

wie Geistes-, Formgeschichte, Psychologie und — freilich<br />

meist nur verbal — Sozialgeschichte als durchaus gleichwertig nebeneinander.<br />

Sein historisches Denken läßt ihn nicht zugleich die<br />

allseitige gesellschaftliche Prägung der genannten Faktoren wie<br />

Ideen-, Formgeschichte, Individualpsychologie erkennen, was zur gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Veränderung der bisherigen Untersuchungsmethoden<br />

führen müßte. Hermand, der zwar gelegentlich<br />

eine „materialistische Geistesgeschichte" (222) fordert, weicht tatsächlich<br />

das dialektische Verhältnis von Basis und Überbau so sehr<br />

auf, daß „Basis und Überbau als gleichrangige Partner auftreten"<br />

(222), der Überbau letztlich als determinierungsfrei erscheint. Ebenso<br />

führt die Loslösung der Kunst aus ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit<br />

zum bekannten Idealismus. Die „neue" Geschichtlichkeit ist<br />

mehr oder minder die „alte" Epochen- und Stilgeschichte.<br />

Da Hermand sowohl über die gesellschaftliche Basis mangelhaft<br />

orientiert ist als auch über keine konkret emanzipative Zielvorstellung<br />

verfügt, bleiben seine Lösungsversuche vage-abstrakt. Seine<br />

Vorschläge bieten eine Kritik des Methoden-Pluralismus als eine<br />

mögliche Spielart eben dieser Methoden. An keiner Stelle wird<br />

deutlich, wie das „Synthetische Interpretieren", diese „Mehrschichtentheorie"<br />

denn praktisch aussehen soll.<br />

Hermands Buch füllt eine Marktlücke. Eher als zu den veralteten<br />

und fragwürdigen Darstellungen von Oppel (DtPhiA, 1952) und<br />

Lunding (Reallexikon, 2. Aufl. 1965) oder dem am entlegenen Ort<br />

erschienenen Überblick von R. Alewyn (Sammelband „Aufgaben der<br />

Forschung", hrsg. v. Leo Brandt, Köln 1956) wird der Germanistik-

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