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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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286 Michael Neriich<br />

von linken Juden wie Karl Mannheim infizieren lassen 48 . Schuld<br />

sind <strong>für</strong> den National-Romanisten, der alle Philosopheme grundsätzlich<br />

nur aus zweiter und dritter Hand bezog, vor allem die Soziologen<br />

wie Durckheim und Lévy-Bruhl in Frankreich: „beide doch<br />

wohl zugewanderte Juden" !<br />

7. Der anti-jüdische Geist<br />

Daß Curtius 1952 gewagt hat, seine anti-semitischen Tiraden als<br />

Widerstand gegen den Nationalsozialismus auszugeben, spricht <strong>für</strong><br />

die Gemütskräfte des Gelehrten: „Die .jüdische Mentalität'", so<br />

schreibt er, „von der Sombart spricht, darf nicht vom jüdischen Berlin<br />

abgelesen und verallgemeinert werden. Hier wäre eine weitere<br />

Scheidung einzuführen, die zwischen signorilem Westjudentum und<br />

unterdrücktem Ostjudentum." Der dergestalt differenzierte Juden-<br />

Affekt drückt sich kurz darauf noch präziser aus. Nach Curtius hatte<br />

„das Judentum" drei Möglichkeiten: „Assimilation an die Wirtsvölker;<br />

Opposition gegen sie und ihre Werte; und endlich Rückkehr<br />

auf sich selbst — das wäre also ein Traditionalismus, der uns im<br />

politischen Sinne nichts angehen würde 49 ." „Dieser Situation gegenüber<br />

ist unsere Stellung klar und einfach: wir bekämpfen nicht das<br />

Judentum, sondern die Destruktion: nicht eine Rasse, sondern eine<br />

Negation 50 ." „Beschämend" (sie!) sei, daß man dies in Deutschland<br />

noch sagen müsse: „Aber die Schuld trifft nicht nur Deutsche und<br />

Deutschstämmige allein, sie trifft ebensosehr unsere [!] Juden, von<br />

denen leider gesagt werden muß, daß sie zum überwiegenden Teile<br />

und in maßgebender Betätigung der Skepsis und der Destruktion<br />

zugeschworen sind. Diese Juden sind von der Idee des Judentums<br />

selbst abgefallene J u d e n . . . Sie sind aber auch nicht bereit, sich<br />

dem Christentum, dem Humanismus oder [!] dem Deutschtum zu<br />

öffnen und es aufzunehmen. Es bleibt ihnen also nur die Negation in<br />

ihren zwei Formen: Destruktion und Zynismus. Dagegen müssen wir<br />

uns wehren, weil Destruktion in einer so zerklüfteten Nation wie<br />

der deutschen zehnfach gefährlich ist 51 ." <strong>Das</strong>, so meint der Wider-<br />

48 Soziologie oder Revolution? in: Deutscher Geist in Gefahr, ed. cit., 88.<br />

49 Ib. 85.<br />

50 Ib. Daß auch die Nazis derartiger „Nuancierungen" fähig waren,<br />

kann man dem „Aufklärungsfeldzug" mit dem Komplementärtitel zur<br />

Schrift von Curtius entnehmen — Wider den undeutschen Geist: „Wir<br />

wollen den Juden als Fremdling achten, und wir wollen das Volkstum<br />

ernst nehmen. Wir fordern deshalb von der Zensur: Jüdische Werke<br />

erscheinen in hebräischer Sprache..." (Zit. J. Wulf, Literatur und Dichtung<br />

im Dritten Reich. Eine Dokumentation, Gütersloh 1963, 41).<br />

51 Ib. Der Wunsch von Curtius ging ein Jahr später in Erfüllung: „Als<br />

Symbol des Kampfeswillens gegen alle Kräfte des Zerfalles loderten<br />

heute in allen Universitätsstädten die Flammen empor... Schreibselige<br />

Judengenossen von dem Schlage eines Tucholsky hatten mit der Technik<br />

eines virtuosen Literatentums alles, was dem deutschen Empfinden heilig<br />

und unantastbar erschien, ins Lächerliche gezogen." (Zit. J. Wulf, Literatur<br />

und Dichtimg, 1. c., 50.)

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