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Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Sachlichkeit und Industrie 251<br />

redung" in das Zentrum seiner Werbetheorie und fand in Goebbels<br />

einen verständigen Nachahmer in der politischen Werbung 23 . Trotzdem<br />

ist es problematisch, die Darstellung der im und durch den Kapitalismus<br />

fortgeschrittenen technischen Revolution durch bürgerliche<br />

Intellektuelle generell als Aussöhnung mit dem Kapital zu<br />

interpretieren.<br />

„Spürte" Ernst Bloch etwa noch in der „vernickelten Leere" 24 der<br />

Neuen Sachlichkeit „bourgeoises Gift mindestens so genau wie mögliche<br />

Zukunft" 2 5 , so ist es die Hauptmühe Lethens, mit aller assoziativen<br />

Kraft und formalen Raffinesse germanistischer Interpretationskunst<br />

28 die Nichtigkeit der den Kapitalismus kritisierenden<br />

Elemente in der analysierten Literatur nachzuweisen und noch die<br />

partielle Aufdeckung gesellschaftlicher Widersprüche ihrer Komplizenschaft<br />

mit dem Kapitalismus zu überführen. „Bürgerliche Aufklärung<br />

über die Produktionssphäre", heißt es anläßlich Erik Regers<br />

Roman „Union der Festen Hand" (1931), „die nicht sozialistische<br />

Agitation ist, muß zur Desillusion verkommen" (73). Reger beschreibt<br />

u. a. in seinem Roman Widersprüche unter den Ruhrindustriellen,<br />

den Zusammenhang von Kapital und Militär, von Wilhelminismus<br />

und Weimarer Republik, das Verhältnis von Ruhrindustrie und<br />

Nationalsozialismus und Techniken, durch die das Kapital mit<br />

Sozialgesetzgebung und Gewerkschaften fertig wird. Lethen faßt<br />

zusammen: „In jedem Schachzug der Gewerkschaften wird eine<br />

Chance <strong>für</strong> die neue Bewegungsform des Kapitalismus erkannt" (75).<br />

„Die Politiker der Sozialdemokratie scheinen hoffnungslos ins Kalkül<br />

der Konterrevolution eingespannt." „Die Klassenkämpfe erscheinen<br />

als Bewegungen in der Großwetterlage des Kapitalismus" (76).<br />

Lethen kritisiert u. a., daß der Autor keine Anstrengungen unternommen<br />

habe, „revolutionäre Intentionen noch in ihrer revisionistischen<br />

Gestalt der Gewerkschaftspolitik ausfindig zu machen" (78).<br />

<strong>Das</strong> darf aber nicht dahin verstanden werden, als wiese nun Lethen<br />

auf die agitatorischen Ansatzpunkte: Wie er referiert, hatte Wolfgang<br />

Harich 1946 eine Neuauflage des Romans veranlaßt mit dem<br />

erklärten Ziel, durch solche politische Aufklärung über die Rolle<br />

des Kapitals vor 1933 einer liberalen Leserschaft die Notwendigkeit<br />

der Einheitsfrontpolitik nahezubringen. <strong>Das</strong> sei schon deshalb problematisch,<br />

als Reger, inzwischen Mitgründer und Mitherausgeber<br />

23 Vgl. den Abschnitt „Goebbels als Markentechniker", in meiner<br />

Staatsexamensarbeit: Zur Kritik der <strong>Theorie</strong>n über die Sprache des Nationalsozialismus.<br />

Berlin 1970 (ungedr.).<br />

24 Bloch, Ernst: Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt/M. 1962, S. 216.<br />

25 Ders., a.a.O., S. 220.<br />

26 Der Vorwurf, Lethens Arbeit sei ein Beleg „<strong>für</strong> den desolaten Zustand<br />

der linken Germanistik" (Welt der Literatur vom 24. 6. 1971, S. 12),<br />

ist gegenstandslos. Was die Handhabung literarischer Kenntnisse und germanistischer<br />

Techniken anlangt, so steht ihre Qualität außer Frage, und<br />

unter den germanistischen Publikationen der letzten Jahre in der BRD<br />

ist wenig Vergleichbares zu finden.

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