Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Soziologie 373<br />
allein durch Dialoge gesteuerten Emanzipationsprozeß" (1<strong>72</strong>). Von<br />
entscheidungsrelevanten Dialogen erwartet Badura „nicht eine Überwindung<br />
im Sinne einer Beseitigung von interessenbedingten Sprachbarrieren<br />
(Urteilsdifferenzen)..., sondern bestenfalls ihre Überbrückung<br />
auf dem Wege von Kompromissen" (169).<br />
Was sachliche Information und die Gewinnung brauchbarer Aspekte<br />
<strong>für</strong> die Diskussion um die Funktion von Sprache im gesellschaftlichen<br />
Kontext anbetrifft, muß man die Nützlichkeit der besprochenen<br />
Untersuchung in Zweifel ziehen. Gängige linguistische<br />
und soziologische Kategorien werden in von anderswo bekannte<br />
<strong>Argument</strong>ation eingebracht. Zudem können sämtliche progressiven<br />
Formeln (degoutierte Hinweise auf Spätkapitalismus, Verflechtung<br />
zwischen Presse, Parteien, privatwirtschaftlichen Finanzinteressen<br />
u. ä.) nicht darüber hinwegtäuschen, daß Badura im Verhältnis von<br />
Sprache und Realität Sprache als Determinante hypostasiert.<br />
Gisela Schulz (Berlin)<br />
Gutt, Armin, u. Ruth Salffner: S o z i a l i s a t i o n u n d S p r a c h e .<br />
Didaktische Hinweise zu emanzipatorischer Sprachschulung. Europäische<br />
Verlagsanstalt (basis arbeitsergebnisse), Frankfurt/Main<br />
1971 (111 S., kart., 5,— DM).<br />
Im ersten Abschnitt der vorliegenden Arbeit werden die bisherigen<br />
Ansätze zur schichtenspezifischen Soziolinguistik, insbesondere<br />
die Bernsteinsche <strong>Theorie</strong> der linguistischen Codes, kritisch behandelt.<br />
Die Diskussion der Bernsteinschen Untersuchungsergebnisse<br />
führt zur Ablehnung der dort implizierten normativen Setzung des<br />
elaborierten Codes der Mittelschicht und zeigt über den Nachweis<br />
des eingeschränkten Realitätsbezuges der mittelschichtspezifischen<br />
Sprechweise die soziale Restriktion auch des elaborierten Codes.<br />
Zudem versuchen die Autoren, die vorliegenden Forschungsergebnisse<br />
der Soziolinguistik aus dem Zusammenhang des bürgerlichen<br />
Schichtmodells zu lösen und auf die Marxsche Klassentheorie zu<br />
beziehen. Sie stellen dabei die Frage, inwieweit die verstärkte<br />
Rezeption dieser Ergebnisse in der traditionellen Didaktik des<br />
Sprachunterrichts nicht nur zur weiteren Qualifizierung der Ware<br />
Arbeitskraft taugt, sondern zugleich — zumindest potentiell —<br />
Möglichkeiten zu einer sprachlichen Fundierung proletarischen Klassenbewußtseins<br />
bietet.<br />
Im zweiten Abschnitt wird nun zunächst der traditionelle wie der<br />
„reformorientierte" Sprachunterricht in seiner ideologischen und<br />
systemfunktionalen Ausrichtung kritisiert: „Es geht bei der herkömmlichen<br />
Spracherziehung weder um inhaltliche Chancengleichheit<br />
noch um Förderung von Spontaneität und Kreativität, die unbedingt<br />
zu fördern wären, damit Emotionen verbalisiert werden<br />
können und problemlösendes Denken und Handeln sich tatsächlich<br />
an den Bedürfnissen der Schüler orientiert und frei wird von gesellschaftlich<br />
sanktionierten und infolgedessen qua ,Erziehung' oktroyierten<br />
Verhaltensmustern. Die heutige Spracherziehung ist vielmehr