Das Argument 72 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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270 Chup Friemert<br />
blickten auf den körperlich Tätigen verachtungsvoll herab" (17). <strong>Das</strong><br />
erweckte den Anschein, als gehörten die Faschisten nicht derselben<br />
Familie an wie die Bourgeoisie, und es versuchte sich den Arbeitern<br />
zu empfehlen als Helfer bei der Erkämpfung der ihnen historisch<br />
zustehenden Stellung. Jedoch sollten sich die Arbeiter nicht faktisch<br />
emanzipieren, sondern nur rein geistig, im Bewußtsein. Aus den faktisch<br />
unfreien Arbeitern sollte ein „innerlich freies Menschentum" 12<br />
werden. Dr. Robert Ley gab denn auch das Rezept, wie diese Emanzipation<br />
zu bewerkstelligen sei: „Ich will versuchen, dem Volk ein<br />
Arbeitsethos zu geben, das heißt etwas Heiliges, etwas Schönes in<br />
der Arbeit sehen. Ich will versuchen, daß unsere Fabriken Gottes<br />
Tempel werden, und ich will versuchen, daß der Arbeiter der geachtetste<br />
Mensch in ganz Deutschland ist 1S ." In Tempeln sind Gebühren<br />
zu entrichten, so auch in der Fabrik, in der das Kapital der liebe<br />
Herrgott ist. Die Höhe der Gebühren wurden bei der Darstellung<br />
des „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit" aufgezeigt, die<br />
Gegenleistung ist die Verwirklichung der „Schönheit der Arbeit".<br />
<strong>Das</strong> Klassenbewußtsein sollte ersetzt werden durch „Ordnung und<br />
Disziplin, saubere Arbeit und Pflichterfüllung, Treue, Kameradschaft<br />
und Freude am Schaffen" (98). Der Arbeiter soll „das selbstverständliche<br />
Bewußtsein (haben), daß man ihn schätzt und achtet"<br />
(40). Als Hilfsmittel sollte auch hier die ästhetische Inszenierung<br />
dienen: „Wir haben dem Schaffenden das Gefühl <strong>für</strong> die Würde und<br />
Bedeutung seiner Arbeit wiedergegeben. Der Mensch kann erst stolz<br />
auf seine Arbeit sein, wenn er sie unter anständigen Bedingungen in<br />
einer sauberen und guten Umgebung verrichtet" (255). Deshalb<br />
sollten beispielsweise Ümkleideräume eingerichtet werden: „Die<br />
unzureichende Beschaffenheit der Umkleidemöglichkeiten hat dazu<br />
geführt, daß die Arbeiter in ihren ältesten, abgetragensten Sachen<br />
in den Betrieb kommen. Mit dieser Unsitte zu brechen, ist eine<br />
sozialpolitische Forderung" (104). „Der Umkleideraum muß so beschaffen<br />
und eingerichtet sein, daß der Gefolgsmann in die Lage versetzt<br />
wird, auch in seinem besten Sonntagsanzug (!) in den Betrieb<br />
zu kommen." Auch sollte abgeschafft werden, daß „die Arbeiter ihre<br />
ältesten .Klamotten' im Betrieb auftragen. <strong>Das</strong> aber ist weder des<br />
Betriebes (!) noch des Arbeiters würdig" (76). Deshalb wurde „einheitliche<br />
Kleidung" empfohlen. <strong>Das</strong> „hat sich auf . . . den kameradschaftlichen<br />
Geist günstig ausgewirkt" (76). Jedoch müssen die Faschisten<br />
hier einräumen, daß die Arbeiter nur manchmal auf dieses<br />
Mittel hereingefallen sind. „In anderen Fällen konnte man bei<br />
der Gefolgschaft selbst Widerstände gegen eine .Uniformierung' feststellen"<br />
(76). Hier verrät die Sprachregelung die Nazis. Sie wurden<br />
ertappt, die Arbeiter erkannten die Absicht der Uniformierung, und<br />
so versuchte das Amt „Schönheit der Arbeit", sich durch Anführungsstriche<br />
zu distanzieren, ohne die Sache aufzugeben.<br />
12 Dr. Daescher, Die DAF, S. 76.<br />
13 Dr. Robert Ley 1937 in Magdeburg, nach: „Ermüdung — Arbeitsgestaltung<br />
— Leistungssteigerung", DAF, Berlin 1938, S. 20.