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Ein Waldelf, dem du mitteilst, dass du neulich "im Wald eine besonders<br />
schöne Glockenblume gesehen hast", fühlt sich genauso genasführt wie ein<br />
Mittelreicher, dem du erzählst, dass du "in einer Stadt einen besonders großen<br />
Menschen getroffen hast".«<br />
—Zauberkräfte der Natur, Tamara, Gerasim, etwa 623 BP<br />
LAvfHARjjnornE VIID GRAramAfiic<br />
Das Tsdira ist eine melodische, vokalreiche Sprache. Unterschiedliche<br />
Betonung <strong>und</strong> subtile, lür Menschen nur schwer hörbare Laulunterschiede<br />
sowie die Stellung des Wortes im Salz können die Bedeutung<br />
(oder die grammatische Funktion) verschieben. Dabei bestimmen meist<br />
kurze Wortstämme den Bedeutungshorizont eines Begriffs, die Betonimg<br />
oder weitere Wortzusätze definieren dann die genaue Bedeutung.<br />
So bezeichnet £or mit gebauchtem b <strong>und</strong> sanftem r das friedliche Brummen<br />
des born '(harmloser) Bär', kann aber mit explosiv gesprochenem<br />
b, kurzem o <strong>und</strong> rollendem r auch das drohende Brüllen des borgra<br />
'(aggressiver) Bär' wiedergeben.<br />
Ein weiteres sprechendes Beispiel ist die Wortgruppc quai '(krächzend)<br />
schreien', quäia 'Wildgans', quiwi 'Käuzchen', qui'dhc 'Krächzlrucht'<br />
(Quitte), sequoia 'heimeliges Knarren' (Mammutbaum) <strong>und</strong> so weiter.<br />
»Die größte Besonderheit des Isdira ist die Feinheit der Lautmelodic.<br />
Beispielsweise kann das Wort 'var'gleichermaßen 'Behütcr', 'behüten' <strong>und</strong><br />
'behütet' bedeuten -also Haupt-, Zeit- oder Eigenschaftswort sein. Hinzu<br />
kommt, dass viele Laute, insbesondere die Vokale, für ein Wort nicht dirc/(t<br />
festgelegt sind. Der Elf benützt jene Laute, die der Satsmelodie, seinem<br />
Stil, seiner <strong>und</strong> der Zuhörer Stimmung <strong>und</strong> der allgemeinen Lage am angemessensten<br />
sind.<br />
Die meisten Sprachlektionen zwischen einem Elfen <strong>und</strong> einem Nichtelfen<br />
beginnen damit, dass der Elf— nach Meinung des Schülers — ein Dutzend<br />
Mal das gleiche Wort wiederholt, während der Elf darauf besteht, dass er<br />
alleine das 'a in der'Mitte jedes Mal unterschiedlich ausgesprochen hat. Bis<br />
heute kann ich, wenn man mir das Wort 'saht' sagt, daraus nicht entnehmen,<br />
ob wir 'in Sicherheit', 'zuhause' oder 'auf dem Versammlungsplatz'<br />
sind. Alleine das Verdunkeln der Vokale <strong>und</strong> das langsame Hinzukommen<br />
eines tiefkehligen Knurrens macht ein -zufriedenes fey' oder fae' aus, ein<br />
fre<strong>und</strong>liches feya', ein grimmiges feyra' oder ein brüllendes feygra'— mit<br />
einem Bedeutungswandel von 'ich', 'Fre<strong>und</strong>', 'Feind' bis 'Unmensch'. Als<br />
besonders geeignetes Lehrbeispiel erscheint mir das Elfenwort 'ama' oder<br />
'iama', das ich, in 42 verschiedenen <strong>Aus</strong>sprachen, mit Garcthi-Begriffen<br />
wie Fre<strong>und</strong>, Geliebter, Bruder, Lehrer, Geburt sin strument, Gabe, Beziehung,<br />
Natur, Fauna, Schicksal <strong>und</strong> Sinn übersetzen muss.«<br />
—Griilenzirp von Säuselwind - Elfcnlyrik aus der Robaiszeit, Vorwort<br />
der Vinsalter Hesinde-<strong>Aus</strong>gabe, 986 BF<br />
DIE SCHRIFT DES isöiRA<br />
Die 27 Schriftzeichen des Isdira sind kunstvolle Schnörkel <strong>und</strong> Schidien,<br />
die leicht in die gekrümmte Oberfläche von Asten <strong>und</strong> Stämmen<br />
lebenden Holzes, auf Blätter oder weiches Leder geprägt werden können.<br />
Geschriebenes Isdira wird oft mil w<strong>und</strong>erschönen, verzierenden Gravuren<br />
verwechselt, denn elfischc Schriftk<strong>und</strong>ige betten ihre Texte gerne<br />
zwischen rein ornamentalen Spiralen, Schleifen <strong>und</strong> Kreisfiguren ein.<br />
Das Lesen <strong>und</strong> Schreiben ist in einer Elfensippe in der Regel den<br />
liegen den sängern <strong>und</strong> Zauberwebern vorbehalten, andere Sippenmitglieder<br />
erachten die Kenntnis der Isdira-Zeiehen selten als erstrebenswerte<br />
Fähigkeit. Jene schreiben in zivilisationsnahcn Sippen alte <strong>und</strong><br />
neue Lieder, Gedichte <strong>und</strong> Melodien nieder, um sie zu sammeln <strong>und</strong><br />
zu bewahren. In den entlegener lebenden Sippen werden die Tsdira-<br />
Zcichcn vor allem aul Gebrauchsgegenständen angebracht: Auf dem<br />
Bogen der fägerin wird beispielsweise zur Unterstützung des FALKEN<br />
AUGE ein klares iama yara sala'dha eingraviert, auf dem Wams des<br />
Kämplers ein ama iharza (ARMATKUTZ) in leuchtenden Farben eingestickt.<br />
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Auch Orte werden mit versteckten Nachrichten ausgezeichnet: "Im<br />
Winter wie drei Winter fanden Miryanel <strong>und</strong> Vaqueldan in der Krone<br />
dieses Ahorns sichere Zuflucht" zeichnet zum Beispiei einen guten<br />
Lagerplatz aus, während ein deutlich sichtbares "Dh'razal" ("Drache!")<br />
auch für schriftunk<strong>und</strong>ige Wiklnisläufer eine eindringliche Warnung<br />
ist.<br />
DAS ALTE ASDHARIA<br />
Das Asdharia ('Sprache der Verkörperung') ist jene elfische Ursprache,<br />
aus der sich das einfachere Isdira schon kurz vor dem Fall der Hochclfcnstädte<br />
entwickelte. Es ist komplexer <strong>und</strong> variantenreichcr als Isdira<br />
<strong>und</strong> selbst lür heutige Elfen schwer in allen Facetten zu meistern —<br />
trotzdem wird es von allen Elfenvölkern (ohne größere Unterschiede<br />
in <strong>Aus</strong>sprache oder Vokabular) überliefert, denn die urältesten Lieder<br />
<strong>und</strong> Zaubergesänge können nur in Asdharia ihre mächtige Wirkung<br />
entfalten. Noch mehr als das Tsdira setzt Asdharia die elfische Zweistimmigkeit<br />
voraus, so dass es Nicht-Elfen niemals vergönnt sein wird,<br />
diese Sprache zu meistern.<br />
Die schwungvollen Glyphcn des geschriebenen Asdharia ähneln den<br />
Isdira-Zeichcn zwar, sind jedoch detailreichcr <strong>und</strong> komplexer. Sie wirken<br />
nicht so organisch wie Isdira, sondern kunst- <strong>und</strong> eindrucksvoller.<br />
ELFISCHE ÜAniEn<br />
»Ich benenne die Dinge nicht, sondern frage sie, wie sie genannt werden<br />
wollen, oder forme mit meiner Stimme den Klang ihres Daseins, wie er<br />
sich mir erschließt. So, wie eure Worte gleichsam mit dem Finger auf die<br />
Welt zeigen, beraubt ihr sie ihrer Freiheit <strong>und</strong> Möglichkeit. Damit wir aber<br />
wahrhaftig miteinander oder von der Welt sprechen Spönnen, nicht nur über<br />
uns <strong>und</strong> die Welt - <strong>und</strong> damit über sie hinweg <strong>und</strong> aneinander vorbei -,<br />
müssen wir den inneren Namen der Wesen <strong>und</strong>. Dinge erkennen, mit dem<br />
sie sich in die Weltenharmonie einfügen.«<br />
—Rallion Regen flieder zu Tamara, Gerasim, um 623 BF<br />
Elfen tragen üblicherweise zwei Namen: Der Erstname entstammt dem<br />
lyrischen Isdira <strong>und</strong> soll Platz <strong>und</strong> Sinn des Elfen in der Welt bestimmen.<br />
Dieser Name wird dem Kind schon verliehen, sobald die Mutter<br />
seine Empfängnis verspürt (oder gar schon vordem Zeugungsakt, wenn<br />
es gilt, Nachkommen für ein besonderes Schicksal zu empfangen).<br />
Dabei ist ein Elf ein einzigartiges, unverwechselbares Wesen, <strong>und</strong> das<br />
drückt auch sein Name aus. Unter tausend Elfen mag es bei einem<br />
geschehen, dass er einen Namen erhält, den schon einmal ein anderer<br />
Elf der Legenden <strong>und</strong> Lieder einer Sippe oder eines Volkes getragen<br />
hat —<strong>und</strong> dieser empfindet sich dann oft als vollständige Wiedergeburt<br />
des betreuenden Lleldcn.<br />
Ob der Lebensweg dem jeweiligen Namen gerecht wird, steht jedoch<br />
auf einem anderen Blatt: Wenn einschneidende Erlebnisse das gesamte<br />
Wesen <strong>und</strong> Sein einer Elfe ändern, dann geschieht es manchmal,<br />
dass sie einen anderen F.rslnamen wählt •- oder besser: dass sie ihn<br />
annimmt, denn eine solche Namensänderung ergibt sich mit der Selbstverständlichkeit<br />
des Schicksals <strong>und</strong> hat nichts mit freier Entscheidung<br />
oder gar Eitelkeit zu tun.<br />
»Die im Mittelreiche bekannteste Firnelf c, eine Frau, die ihr Menschen nur<br />
als 'die Jägerin' kennt, nennt sich erst seit jenen Tagen Elodiron (in etwa<br />
'die Verlorene'), als die Sippe Kristallglanz vor fünfzig Jahren tragisch unterging.<br />
Und ich selbst war in einem früheren Leben Barmion, ein gedankenloser<br />
Wanderer, ehe bedeutende Ereignisse mich zu dem Feind des Götter-Irrglaubens<br />
machten, der ich heute bin. Mit jenem Barinion habe ich<br />
heute weniger gemeinsam als mit meinem Vater.«<br />
—Firlionel Nachtschatten, Magietheoretiker, Funin, etwa 1005 BF<br />
Der Zweitnamc ist oft allen Mitgliedern einer Sippe gemeinsam, sei<br />
es, dass dreißig nah verwandte Firnelfen den Namen Kristallglanz tra-