Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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Die Sprache<br />
sich clie neuen Mächte. Mit Klopstock geiartgett sic zur<br />
crsten freien schöpferischen Entfaltung. In Lessing erfassen<br />
sie das Denken, in Wieland, seinen auakreontischen Vorgängern<br />
<strong>und</strong> Begleitern erwacht die Sinnlichkeit. Und nun<br />
wird die Bewegung immer drängender, immer hinrasender<br />
<strong>und</strong> ungehentmter. Der Sturnl <strong>und</strong> Drang ist im Erwachen.<br />
Für die deutschen Shakespeare-Kenntnis <strong>und</strong> -Wertung<br />
wird diese Zeit von höchster Bedeutung. Shakespeare wird<br />
nun zum ersten Male mit uneingeschränkter Liebe anerkannt.<br />
er wird erforscht <strong>und</strong> nachgeahrnt. - Gottsched<br />
hatte Shakespeare schroff abgelehnt. ln seineu ,,Beyträgen<br />
zur Critischen Historie der Deutschetr Sprache, Poesie <strong>und</strong><br />
Beredsamkeit usw." äußert er sich anknüpfend an ein Urteil<br />
<strong>des</strong> Spectator: ,,Diess klingt nun recht hoch <strong>und</strong> wer von<br />
Slrakespeares Sachen nichts gelesen hat, der sollte fast<br />
tlenken, es müßte doch wohl recht was schÖnes seyn, welches<br />
den Abgang der Regeln so leichtlich ersetzen kann. Allein<br />
rnan irret sehr. Die Unordnung <strong>und</strong> Unwahrscheinlicltkeit,<br />
welche aus dieser Hintansetzung der Regeln entspringen,<br />
die sind auch bei dem Shakespear so handgreiflich <strong>und</strong><br />
ekelhaft, daß wohl niemand, der nur je etwas vernünftiges<br />
gelesen, daran Belieben tragen wird."l) Diesem engen Vernünftigkeitsstandpunkt<br />
versetzen bereits die neuen ästhetischen<br />
Anschauungen der Schweizer einen gefährlichen<br />
Stoß. ,,Um die Teufel <strong>und</strong> Engel ihres geliebten Milton zu<br />
rechtfertigen, ihre eigenen Nachahmungen zu begründen,<br />
hatten die Schweizer ihre Asthetik auf das W<strong>und</strong>erbare gegründet<br />
<strong>und</strong> von Milton zu Shakespeare war weder dem<br />
ästhetischen Dogmatiker noch dem Historiker ein weiter<br />
Schritt" 2). In derselben Schrift, aus der das oben angeführte<br />
l) Zitiert nach R. Gen€e, Geschichte der Shakespeareschen<br />
Dramen in Deutschland, Leipzig 1870, S' 70.<br />
2) Fr. G<strong>und</strong>olf, Slrakespeare <strong>und</strong> dcr deutsche Geist' Berlin<br />
l9ll, s. 98.<br />
Bürger<br />
Urteil Gottscheds entnommen ist, erscheint im Jahre l74l<br />
im Anschluß an die erste deutsche Shakespeare-Übersetzung<br />
von C. W. von Borck eine ,,Vergleichung Shakespeares<br />
<strong>und</strong> Andreas Gryphs" aus der Feder von Johann Elias<br />
Schlegell). Sie stellt die erste bedeutsame kritische Würdigung<br />
Shakespeares von deutscher Seite dar. Freilich, noch<br />
ist es ein Lob voll von Einschränkungen, verletzter Regeln<br />
<strong>und</strong> <strong>des</strong> sprachlichen Schwulstes wegen. Hier setzt nun<br />
Lessing ein. ,,Auch nach den Mustern der Alten die Sache<br />
zu entscheiden", so lesen wir im 17. Literaturbrief, ,,ist<br />
Shakespear ein weit größerer tragischer Dichter als Corneille;<br />
obgleich dieser die Alten sehr wohl, <strong>und</strong> jener fast<br />
gar nicht gekannt hat. Corneille kömmt ihnen in der<br />
mechanischen Einrichtung, <strong>und</strong> Shakespear in dem Wesentliche<br />
näher. Der Engländer erreicht den Zweck der<br />
Tragödie fast immer, so sonderbare <strong>und</strong> ihm eigene Wege<br />
er auch wählet; <strong>und</strong> der Franzoserreicht ihn fast niemals,<br />
ob er gleich die gebahnten Wege der Alten betritt."2). Und<br />
über die Sprache äußert sich Lessing im 51. Brief 3): ,,Die<br />
edelsten Worte sind eben <strong>des</strong>wegen, weil sie die edelsten<br />
sind, fast niemals zugleich diejenigen, die uns in der Geschwindigkeit,<br />
<strong>und</strong> besonders im Affekte zu erst beyfallen.<br />
Sie verrathen die vorhergegangene Ueberlegung, verwandeln<br />
die Helden in Declamatores, <strong>und</strong> stören dadurch die Illusion.<br />
Es ist daher ein großes Kunststück eines tragischen Dichters,<br />
wenn er, besonders die erhabensten Gedanken, in die gemeinsten<br />
Worte kleidet, <strong>und</strong> im Affekte nicht das edelste,<br />
sondern das nachdrücklichste Wort, wenn es auch schon<br />
einen etwas niedrigen Nebenbegriff mit sich führen sollte,<br />
l) Vgl. R. Cende, a. a. O., S. 64.<br />
2) G. E. Lessings sänrtliche Schriften, herausgegeben von<br />
Lachmann-Munker. Stuttgart 1892, VIII, S. 143.<br />
3) Vgl. VIII, S. 145.<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv