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Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

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66<br />

I(omposition<br />

Komposition<br />

167<br />

lich Eschenburg gegenüber die stärkstenVeränderungen erfahren.<br />

Dem Banquo hat Bürger einen eigenen ausführlichen<br />

Monolog geschaffen <strong>und</strong> diesen vor den Dolchmonolog<br />

gestellt, s0 daß nun gleich zwei Monologe unmittelbar nebeneinandertreten.<br />

Schon das deutet darauf, wie sehr sich<br />

der ganze Schwerpunkt aus Anschauung <strong>und</strong> Verkörperung<br />

ins Gefühl <strong>und</strong> seinen Ausdruck verschoben hat. Bei Shakespeare<br />

ist jeder Monolog eingespannt in die Handlung <strong>und</strong><br />

besitzt immer zugleich die Funktion, die Bewegung weiterzuführen.<br />

Bürgers Banquomonolog steht völlig isoliert; er<br />

ist nur Ausdruck ,seelisches Ergießen. Im gleichen Sinne<br />

zu lverten ist die Umstellung <strong>des</strong> Monologs der Lady Macbeth<br />

im zweiten Akt. Bei Shakespeare steht er vor ihrer<br />

Unterredung mit Macbeth <strong>und</strong> leitet diese Unterredunq<br />

ein. Bei Bürger steht er am Scliluß der ganzen Szene, offen<br />

verströmend. Auch die Kampfszenen am Ende der Tragödie<br />

hat Bürger rnit Monologen durchsetzt. (Vgl. 5. u. 6. Auftritt<br />

<strong>des</strong> 5. Aktes in Bürgers Bearbeitung.) Doch all diese<br />

Umstellungen <strong>und</strong> Umgestaltungen sind nur die äußeren<br />

Symptome jenes andereu <strong>und</strong> zentral Bedeutsamen, der<br />

versuchten Erschließung von Shakespeares herben, <strong>und</strong>urchdringlichen<br />

Individuen dem Geftihl der Sturm- <strong>und</strong> Dranqzeit<br />

gegenriber. Aus Individuen möchten Seelen n'erden.<br />

Hier Iiegt die gefährliche Klippe aller Shakespearenachbildungen<br />

jener Tage. Individuen sind Bewohner <strong>des</strong> stofflichen<br />

Raumes, sind Schöpfungen einer dämonischen Natur,<br />

Verdichtungen ihrer Bewegung <strong>und</strong> unterliegen keiner<br />

moralischen Voraussetzung. Anders steht es mit den<br />

Menschen der Sturm- <strong>und</strong> Drangzeit: Sie wurzeln im Gefühl<br />

<strong>und</strong> unterliegen dent Begriffe der Humanität. Die Einbeziehung<br />

von Shakespeares Individuen ins Erleben <strong>des</strong><br />

Sturm <strong>und</strong> Drang umschließt bewußt oder unbervußt immer<br />

zugleich eine Rationalisierung derselben, d. h. die<br />

Durchdringung ihrer Stofflichkeit mit geistigen Wertungen,<br />

die Angleichung ihrer naturhaften Umrisse an die engeren<br />

<strong>und</strong> zarteren Maße einer Welt <strong>des</strong> empfindsamen Ausdrucks.<br />

Im gedanklichen Spiegel eines rationalen Weltsystems<br />

erwachsen aus der Tausendfältigkeit der räumlichen Farben<br />

<strong>und</strong> individuellen Schattierungen die Farben schwarz <strong>und</strong><br />

weiß, ent <strong>und</strong> böse. Und wenn der Sturm <strong>und</strong> Drang jede<br />

Typisierung auch wieder mannigfach verwischt, diese Sonderung<br />

schimmert überall noch durch. Bei Bürger wird<br />

aus Banquo der absolut Gute, aus der Lady die absolut<br />

Böse <strong>und</strong> Macbeth wird der edle \rerführte. Macbeth <strong>und</strong><br />

Banquo lassen sich in solcher Umbiegung ihres Wesers<br />

mit Gef ühl durchdringen. Ihnen kann der Dichter die<br />

eigene Empfindung, den eigenen Ausdruck leihen. Nicht<br />

so dei: Lady. Sie tritt mit dem Stempel der moralisch Gerichteten<br />

außerhalb <strong>des</strong> sittlich-menschlichen Kreises. Und<br />

wie so oft, eutsteht daraus eine unerträglicire Mischung von<br />

Wahrheit <strong>und</strong> Künstelei : Aus dem Verstande empfangen<br />

diese Personen ihre Kontur, das negative Vorzeiclten ihres<br />

Wesens. Ihre <strong>Leben</strong>digkeit aber borgen sie aus den allgemeinen<br />

Schoße menschlicher Empfindung. Bürgers<br />

Lady ist ein unausgeglichenes Nebeneinander von gefühlsseliger<br />

Menschlichkeit <strong>und</strong> hexenhafter Gemeinheit. Der<br />

Ä{oral zur Genugtuung läßt er sie am Schlusse vom Teufel<br />

holen. Wenn bei Shakespeare ihr 'fod mit der trockenen<br />

Rede Seytons verkündet wirci : "the queell, my lord, is dead",<br />

woraufMacbeth antwortet: "she should have died hereafter;<br />

there lvould have been a time for such a word", so schafft<br />

Bürger dafür eine eigerre neue Szene, auf die ich als charakteristischinweisen<br />

möchte. Schließlich faßt auch noch<br />

deil Macbeth die llöllr, ur.il mii empfincisamen Worten<br />

iährt er hinunter. Das ganze Stück enclet dann irrr neunten<br />

Auftritt mit zwei Reden <strong>des</strong> Malcolm <strong>und</strong> <strong>des</strong> Macduff,<br />

die ich hierher setze, rveil sie die wesentliche,r Ztige von<br />

Bürgers Macbethbearbeitunq noch einmal deutlich machen,<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

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