Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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94 Die Sprache<br />
Sch. I/VIll. Euch kommt es zu, mein königlicher Herr'<br />
Die Dienste Eurer Knechte zu empfangen,<br />
Sie sind <strong>des</strong> Thrones Kinder <strong>und</strong> <strong>des</strong> Staats<br />
Und Euch durch heilge <strong>Leben</strong>spflicht verpfändet.<br />
Wieder ist bei Shakespeare alles Weg <strong>und</strong> Verwandlung,<br />
ein stetes Durchdringen von Vorstellungen. Schiller gibt<br />
Klarheit <strong>und</strong> Ordnung, durch den Vergleich betonte, nicht<br />
verwischte <strong>und</strong> verwandelte Konturen.<br />
Zu vergleichende Gegenstände müssen etwas Gemeinsames<br />
haben. Sie müssen sich vor dem forschenden Geiste<br />
in einer Mitte treffen, in einem tertium comparationis. Für<br />
Schillers rational f<strong>und</strong>ierte Sprache ist daher stets die klare<br />
Erkennbarkeit dieses Treffpunktes die Voraussetzung für<br />
die Möglichkeit <strong>des</strong> Vergleichs:<br />
Sh. I/ll 7.<br />
Sch. Ii II.<br />
Doubtful it stood;<br />
As two spent swimmers, that do cling together<br />
And choke their art.<br />
(Wie stand das Treffen, als du es verließest?)<br />
Es wogte lange zweifelnd hin <strong>und</strong> her<br />
Wie zweier Schwimmer Kampf, die aneinander<br />
Geklammert Kunst <strong>und</strong> Stärke ringend messen.<br />
Bei Shakespeare verwandelt sich das Bild der Schlacht<br />
("doubtful it stood") in das Bild zweier sich umklammernder<br />
Schwimmer. Worin das Gemeinsame liegt, wird nicht gesagt.<br />
Aber der Zusammenhang ist da, der Geist erschaut<br />
ihn dunkel, er ertastet ihn in derTiefe. Schiller übersetzt:<br />
,,wie zweier Schwimmer Kampf, die . . .". In solcher Fassung<br />
steht nicht mehr Raum neben Raum unabhängig <strong>und</strong><br />
ungeklärt; eine rationale Brücke ist geschlagen' Der Begriff<br />
,,Kampf" besitzt durchsichtigen Zusammenhang mit dem<br />
vorausgehenden ,,es", das sich auf ,,Treffen" bezieht. Die<br />
Schiller 95<br />
Verwandlung ist Vergleich geworden. (Anmerkungsweise<br />
sei auch aul die weitere Anderung Schillers hingewiesen.<br />
Aus einem triebhaften Sichverklammern von Mensch mit<br />
Mensch ist ein freies Messen von Kräften geworden. Shakespeäre<br />
multipliziert wieder das Einmalise mit dem Ein_<br />
maligen, das Dunkle mit dem Dunklen. Scnitter sibt durch<br />
seinen Vergleich dern Bird crer schracht rationare"Heile <strong>und</strong><br />
symbolische Bedeutsamkeit.)<br />
Sh. I/VI 18. for those of old,<br />
And the late dignities heap'd up to them,<br />
We rest your hermits.<br />
Sch. I/X I t I. Nichts bteibt uns übrig, königlicher Herr,<br />
Als für die alten Gunstbezeugungen,<br />
Wie für die neuen, die Ihr drauf gehäuft,<br />
GIeich armen Klausnern, nur an Wün_<br />
Mit brünstigen Gebet." Äl,ln'i"'iiJ"i;.<br />
Man achte, wie mühsam Schiller, teilweise mit Eschenburg<br />
(vgl. S. 20), die Tiefe Shakespearescher Bitdhaftigkeit<br />
zu durchleuchten sucht, um einen sinnvollen Zusammen_<br />
hang der "hermits" mit dent übrigen Satze herzustellen. __<br />
Mit all diesen Umdeutungen, die Shakespeare unter<br />
Schillers Händen<br />
'<br />
erfährt, wird nicht die Gestalt der Sprache<br />
Shakespeares allein verändert, vielmehr - <strong>und</strong> das habe<br />
ich in keinem Augenblick im Unklaren gelassen _ der Gehalt,<br />
die letzten Wurzeln alles Denkens <strong>und</strong> Handelns emp_<br />
fangen ein durchaus verwandeltes Ansehen. Eine der tiefgreifendsten<br />
Verwandlungen ist wohl diese: Taten <strong>und</strong> Ge_<br />
schehnisse vollziehen sich nicht mehr triebhaft_ungemessen,<br />
sondern empfangenotwendig eine Beziehung in positivenr<br />
oder negativem Sinne zur klassischen Ordnung der Dinge,<br />
die ästhetisch <strong>und</strong> sittlich zugleich ist. Der rnoralische<br />
Charakter ist klassischer Sprache immanent, der Sprache<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv