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Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

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Rhythrnus<br />

r35<br />

Rhythmus.<br />

Das ist das Dunkle, das Dämonische, das Ungeheuere in<br />

,,Macbeth", erst der Kampf gegen den Rhythrnus gestaltet<br />

den Rhythmus. Macbeth lehnt sich nrit jeder neuen Tat auf<br />

gegen den Gang der Welt - er will sich setzen, sich bervahren<br />

-" <strong>und</strong> führt doch mit jeder neuen Tat diesen<br />

schicksalsgezeichneten Rhythmus, der seine Vernichtung<br />

einschließt, der Vollendung näher.<br />

Man nrag errnessen, was die rhythmische Form für das<br />

Drama Shakespeares bedeuten muß. Ein Herauslösen <strong>des</strong><br />

nur Inhaltlichen ist eine Unmöglichkeit, denn der Stoff lebt<br />

erst durch seine Form, lvie die Form erst durch de:r Stoff.<br />

Eine prosaische übersetzung bricht der Handlung die<br />

Seele aus: den vorjagenden Atem, die zukunftschwangere<br />

Gegcnwärtigkeit. Tlotzden bedeutet die prosaische Bearbeitung<br />

Shakespeares durch Wieland-Eschenburg auch in<br />

formaler Hinsicht einen Fortschritt, wenn man sie in Vergleich<br />

setzt zu denl, was früher in dieser Hinsicht geleistet<br />

worden ist. Denn Shakespeare die rhythmische Seele zu<br />

rauben <strong>und</strong> ihn in eine abstrakte <strong>und</strong> vernünftige prosa zu<br />

füllen, ist noch nicht die unterste der denkbaren Entstellungen.<br />

Es gibt noch ein weiteres. Für den rationalistischen<br />

Menschen war Poesie eine Belustigung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong><br />

<strong>und</strong> Witzes, <strong>und</strong> damit auch Shakespeare dem genügen<br />

konnte, nrußte man ihn in tändelnde <strong>und</strong> gereimte<br />

Verse bringen. Borck hatte sich 1740 dieser Arbeit unterzogen,<br />

zwar nicht an ,,Macbeth',, wohl aber an ,,Julius<br />

Cäsar". (Die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung dieser<br />

Übersetzung soll damit nicht bestritten werden.) tctr<br />

nröchte einige Zeilen daraus hierher setzen, weil erst dieser<br />

Alexandriner-shakespeare eine vollc Vorstellung rationalistisch-klassizistischer<br />

Kunstauffassung gibt. Aus der<br />

Volksszene <strong>des</strong> dritten Aktesr):<br />

Anton: Wollt ihr Geduld mit mir noch eiue Weile tragen,<br />

Ich übereilte mich vorn Testament zu sagen.<br />

Ich fürchte, daß dadurch den Männern Leid geschicht,<br />

Den braven Lcutcn dort, die Cäsarn hirtgericht.<br />

Gegcniiber dieser Art von Rhythmik bedeutet Eschenburgs<br />

Prosa einen entschiedenen Fortschritt, indem sie den<br />

Weg frei rnacht zu neuen, Shakespeare näherkommenden<br />

rhythmischen Bearbeitungen. Eschenburg hat, die Unhaltbarkeit<br />

solcher Forntung Borcks erkeunend, diesen scharf<br />

kritisiert2). Andrerseits ernpfand er auch, dafj die rhythrnische<br />

Form Shakespeares für das Drama uud seineu Gehalt<br />

niclrt gleichgüliig ist. ,,Ein beträclttlicher Verlust für dcnjenigen,<br />

der den Shakespeare nur deutsch lesen kann, ist<br />

der Abgang <strong>des</strong> Silbennraßes3)". Aber was trotz solcher<br />

theoretischen Einsicht eine wirklichc Nachbildung <strong>des</strong><br />

Shakespeareschen Rhythmus bei Eschenburg ausschließt,<br />

das ist das mangelnde rhythnrisctte Gefühl, das fehlende<br />

Erlebnis der Welt als Zeit <strong>und</strong> Bewegung. Was Eschenburg<br />

am Verse schätzt, das ist nichts eigcntlich Rhythmisches. sctttclern<br />

,,Feierlichkeit <strong>und</strong> Würde". ,,Man weiß, dalS der Gang<br />

<strong>des</strong> Verses, selbst der dialogische Gang <strong>des</strong>selben, vor dettt<br />

Gange der Prose, selbst der edleren, allemal etne Feierlichkeit<br />

<strong>und</strong> Würde voraus hat, die manchen Ausdrücken <strong>und</strong><br />

l\ Zitiert nach R. Gen6e, Geschichte <strong>des</strong> Shakespeareschen<br />

Dramas in Deutschland. Leipzig 1870, S. 433.<br />

2) H. Schrader: Eschenbrtrg <strong>und</strong> Shakespeare. Diss. Marburg<br />

1911, S. 59.<br />

3) Vorbericht z. I. Band der ersten Ausgabe.<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

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