Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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t24<br />
Die Spraclte<br />
Dorothea Tiecli<br />
T.<br />
Ich lrabe keinen Stachel.<br />
Die Saitert nleines Wollens anzuspornen.<br />
Als einzig Ehrgeiz,der, zum Aufschwung eilend,<br />
Sich überspringt <strong>und</strong> jenseits niederfällt. -<br />
"Vaulting ambition": an einem sprechenden Beispiel<br />
wird hier wieder der Wille Shakespeares zu gewaltsamer<br />
Ballung im sprachlichen Ausdruck deutlich, jener Wille,<br />
der, siclr entgegenstemntend gegen den Strom d,er Zeit,<br />
jede Bewegung ihres weiterführenden, verwandelnden,<br />
öffnenden Charakters entkleiden ntöchte, unt ihr als Attribut<br />
an Substanzen angeschmiedet den Anschein <strong>des</strong><br />
Verharrenden <strong>und</strong> Immergültigen zu verleihen. Es ist der<br />
gleiclie Wille, der aüch seine Menschen schafft. Auch in<br />
ihnen liegt ein unendliches lVlaß vordrängenden <strong>Leben</strong>s<br />
an Substanzen angeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in geschlossene Untrisse<br />
eingegrenzt. In anderer Richtung rveist nun die Fassung<br />
der Tieck. Hier fehlt jener Trieb der Auflehnung <strong>und</strong><br />
Widersetzung. Hier ist dieses "Vaulting" nicht mehr gervaltsam<br />
aus dem Flusse <strong>des</strong> in der Sprache gestalteten<br />
Geschehens ausgeschieden, vielmeltr es ltat in veränderter<br />
Stellung die Aufgabe erhalten, die Substanz lattgsattt <strong>und</strong><br />
alhnählich in die Fortbewegung der Vorstellung hinüber<br />
zu leiten:<br />
,,Als einzig Ehrgeiz, der, zunt Aufschwung eilend,<br />
Sich überspringt <strong>und</strong> jenseits niederfällt."<br />
Und das ist die Hauptfunktion dieser partizipialen Forntetr<br />
inr romantischen Stil: den Raum zu öffnen, die Substanzert<br />
der Zeit zu assimilieren <strong>und</strong> sie in Bewegung überzufrlhren.<br />
VII. (Say to the king the knowledge of the<br />
As thou didst leave it.)<br />
Doubtful it stood;<br />
As two spent swimmers, that do cling together<br />
And choke their art.<br />
Übersetzung A, W. Schlegels:<br />
Zweifelhaft noch stand es,<br />
Wie ein erschöpftes Schwimrnerpaar, sich packencl,<br />
Die Kunst erdriickt.<br />
Übersetzung cler Dorothea Tieck:<br />
Es stand zweifelhaft;<br />
So wie zwei Schwimrner ringentl sich umklammern,<br />
Erdrückend ihre Kunst*).<br />
Urn eine Schlacht handelt es sich. Shakespeare rnöchte<br />
sie als Zustand fassen, als plastischen Augenbtick. So wird<br />
die Lage der Schlacht verglichen mit der [-age zweier ver_<br />
klammerter Schwimmer. Man beachte dabei rvohl: die<br />
Schlacht rvird nicht verglichen mit dem Ringen der Schwimmer,<br />
mit deren Bewegung <strong>des</strong> Sichverklammerns, auch<br />
nicht mit dem schon vollendeten Bilde ihres Verklammertseins.<br />
Vielmehr Shakespeare greift zu den Schwimrnern<br />
selbst, zu ihrer immergüttigen Substanz, um dann erst<br />
das Besondere seines Bil<strong>des</strong> aus diesen allgemeinen Umrissen<br />
herauszumeißeln. So erreicht er eine Vorstellung<br />
voll höchster Bewegung <strong>und</strong> doch wieder voll anschaulicher<br />
Geschlossenheit <strong>und</strong> Beharrung. Der in maßloser<br />
Dynamik vorschreitende Gedanke darf nur rückgreifend<br />
das Bild vollenden, das hier plastisch in den Raum ge_<br />
worfen wird: jenes zuständliche Verklammertsein eines<br />
Schwinrnrerpaares.<br />
Wie verhält sich dazu die Rornantik? Sie reißt das Ce_<br />
schehe nicht aus zeitlicher öffnung heraus in die klare<br />
Festigkeit eines räumlichen Umrisses. So vergleicht sie<br />
die Schlacht nicht rnit dem Bilde <strong>des</strong> verklammerten<br />
Schwinrmerpaares, sie vergleicht vielmehr den Zustanrl der<br />
Schlacht nrit einer Bewegung (sowohl bei Schlegel als bei<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv