Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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174 (omposition<br />
speares Macbeth-Dram aufweist, in seiner Bearbeitung tilgt,<br />
so hat er auch dadurch den Charakter von Shakespeares<br />
Welt entstellt <strong>und</strong> vergewaltigt. Shakespeares trunkener<br />
Pförtner hat bei Schiiler priesterliche Würde bekommen,<br />
<strong>und</strong> an die Stelie der verwegenen Wortspiele ist ein ernstes<br />
Morgeniied voll symbolischer Bedeutung getreten.<br />
Auch bei Schiller geht, so gut wie bei Bürger, Hand in<br />
Hand mit der Übertragung von Shakespearestofflichen<br />
Individuen in die vergeistigten l-löhen einer Bildungswelt<br />
eine rationale Durchleuchtung <strong>des</strong> gesamten Handlungsverlaufes.<br />
Offenbar wird das, tvenn wir von der logischen<br />
Klarheit <strong>und</strong> F-olgerichtigkeit klassischer Sprache absehen,<br />
in ein paar bedeutungsschlveren Schillerschen Ergänzungen.<br />
Ich erinnere, um wenigstens auf eine dieser Ergänzungen<br />
hinzuweisen, an jene durch Schiller eingeschobene Stelle<br />
(I, r5):<br />
Macbeth: Wird uns der blut'ge Mord zum Ziele fiihren?<br />
Steht dieser Cumberland nicht zwischen mir<br />
Und Schottlands Thron? Und lebt nicht Donalbain<br />
?<br />
Für Dunkans Söhne nur <strong>und</strong> nicht für uns<br />
Arbeiten wir, wenn wir den König töten.<br />
Lady:<br />
Ich kenne diese Thans! Nie wird ihr Stoiz<br />
Sich einem schwachen Knaben unterwerfen.<br />
Ein bürgerlicher Krieg entflammet sich;<br />
Dann trittst du auf, der Tapferste, der Beste,<br />
Der Nächste an dem königlichen Stamm,<br />
Die Rechte deiner Mündel zu behaupten.<br />
In ihrem Namen grün<strong>des</strong>t du den Thron.<br />
Und steht er fest, wer stürzte dich herab?<br />
Nicht in die ferne Zeit verliere dich,<br />
Den Augenblick ergreife, der ist dein.<br />
Komposition 175<br />
Schlagliclitartig beleuchtet diese eingeschobene Frage<br />
<strong>des</strong> Macbeth <strong>und</strong> ihre Beantwortung durch die Lady, wie bei<br />
Scliiller alies, was bei Shakespearein triebhaft - dunkles<br />
Scliauen <strong>und</strong> Handeln ist, einem klaren Wägen <strong>und</strong> Schließen<br />
in ungebrochener kausaler Kette gewichen ist.<br />
Immer ist in der Kunst <strong>des</strong> Sturm <strong>und</strong> Drang der mehr<br />
oder minder durchklingende moralisierende Unterton etwas,<br />
was sich nicht organisch mit dem Gesamtcharakter der Zeit<br />
vereinbaren läßt. Er scheint immer in Widerspruch zu<br />
stehen mit dem künstlerischen Wollen der Zeit, das nach<br />
Ausdruck strebt, ohne Rüclcsicht auf Zlveck- <strong>und</strong> Wertrelationen.<br />
Daß er trotzdem tief begründet liegt in der<br />
Abhängigkeit <strong>des</strong> Sturm <strong>und</strong> Drang vom Rationalismus<br />
<strong>und</strong> seiner alles Dasein mit spezifisch menschliciren Kategorien<br />
<strong>und</strong> Werten durchsetzenden Gesinnung, darauf liabe<br />
ich bereits bei Bürger hingewiesen. Durch die Klassik nun<br />
ivird die Moralität aus ihrer unorganischen Sonderstellung<br />
erlöst. Sie findet eine erneute <strong>und</strong> wesenhafte Verlvurzelung<br />
irr künstlerischen Gesamtbild. Zv,rar nicht mehr in<br />
ihrer rationalistischen Nacktheit, wohl aber verhüllt in<br />
den Kategorien klassischer Ordnung <strong>und</strong> Foinung, also<br />
gestaltgeworden als ästhetisches Dasein. Schillers l