Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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Die Sprache<br />
lichen, noch mehr: urn einfühlender Natur gegenübertreten<br />
zu können, muß diese verstanden, d. h. aus ihrer unabhängigen<br />
<strong>und</strong> ungebändigten Stofflichkeit gelöst <strong>und</strong> den<br />
Proportionen <strong>und</strong> Gesetzlichkeiten <strong>des</strong> Menschen assimiliert<br />
sein. Nur in einer Welt. die. ruhend auf der sicheren Fläche<br />
<strong>des</strong> rationalen Weltgedankens, frei ist von allem Druck einer<br />
außer- <strong>und</strong> übermenschlichen Wirklichkeit, mochte die<br />
Empfindsamkeit, alle Grenzen überschwemmend, zu führender<br />
Geltung sich erheben. Friedrich G<strong>und</strong>olf hat solche<br />
gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> begleitende Rolle <strong>des</strong> Erkennens neben<br />
dent Erleben in der geistigen Struktur jener Epochen - denn<br />
nicht nur für den Sturm <strong>und</strong> Drang, auch für die Folgezeit<br />
ist sie bedeutsanr - in glücklicher Bezeichnung festgelegt:<br />
mit denr Begriff ,,Bildungszeitalter" umtastet er die seelische<br />
Gr<strong>und</strong>form jener entscheidungsschweren Perioden<br />
deutscher Geistesgeschichte 1).<br />
C. S ch iller (Die Ktassik).<br />
Den Ausgleich <strong>des</strong> Zwiespaltes von Begriff <strong>und</strong> Ausdruck,<br />
von Bewegung <strong>und</strong> Beziehung im Körper der Sprache, der<br />
den Sturm <strong>und</strong> Drang beherrscht, bringt di.e Klassik. Sie<br />
überbrückt entsagend die Tiefen eines unendlich quellenden<br />
Gefühls <strong>und</strong> dämmt die Fluten in den Bahnen einer kosntischen<br />
Gesetzlichkeit. Damit erwacht eine neue Wertung<br />
von Form <strong>und</strong> Gliederung, von Maß <strong>und</strong> Grenze, von Substanz<br />
<strong>und</strong> Dauer. Geist <strong>und</strong> Gefühl drängen sich in einander<br />
<strong>und</strong> suchenach Verdichtung in Gestalt <strong>und</strong> Schönheit.<br />
l) Vgl. F. G<strong>und</strong>olf : Shakespeare<strong>und</strong> der deutsche Geist,<br />
S. 247. Außerdem die Einleitung zu seinem ,,Coethe".<br />
Schiller 61<br />
Zur ersten Orientierung stelle ich Beispiele aus Eschenburg<br />
<strong>und</strong> Schiller gegenüber:<br />
E. llIIl. Gegenwärtiges Schrecken ist weniger entsetzlich,<br />
als die Vorstellung der geschreckten Einbildung.<br />
Dieser Gedanke, <strong>des</strong>sen Mord doch nur ein Hirngespinst ist,<br />
erschüttert meine ganze innere Welt so heftig, daß alle andre<br />
Arbeit meiner <strong>Leben</strong>skräfte stille steht, <strong>und</strong> mir nichts da<br />
zu seyn scheint, als, was noch nicht ist.<br />
Sch. I/VI. Die Handlung selbst ist minder grausenvoll<br />
Als der Gedanke der geschreckten Seele.<br />
Dies Bild, die bloße Mordtat <strong>des</strong> Gehirns,<br />
Regt meine innre Welt so heftig auf,<br />
Daß jede andre <strong>Leben</strong>sarbeit ruht<br />
Und mir nichts da ist als das Wesenlose.<br />
Schillers Worte sind klar, in sich geschlossen <strong>und</strong> doch<br />
lvieder in ein großes Ganze eingegliedert. Aber das Band,<br />
das sie zusamntenkettet, ist nicht mehr kalt <strong>und</strong> konstruktiv.<br />
Sie sind nicht nur Begriffe, d. h. bezogen auf Art <strong>und</strong><br />
Gattung, sie sind auch Seelen <strong>und</strong> besitzen Kräfte, sie sind<br />
auch Gestalten <strong>und</strong> stehen Gestalten gegenüber. Das rationalistische<br />
Begriffssystem ist in den Ratrm hinausgetreten.<br />
Der Begriff ist geistiger Körper geworden, <strong>und</strong> zwischen den<br />
I(örpern herrschen organische Kräfte. Ruhm, Ehre, Not,<br />
Macht, Sieg, Tod, Freiheit, Wahrheit, Liebe, alle diese <strong>und</strong><br />
ähnliche, von Schiller so häufig gebrauchte Worte rufen<br />
kraft <strong>des</strong> Ethos, mit dem sie gesprochen, nach ihrem polaren<br />
Gegensatz. Sie weisen gleichsam als Sieger auf den<br />
besiegten Gegner, vor dem sie triurnphierend aufstreben.<br />
So wird in jedem Worte Schillerschon das Gemeine vom<br />
Edlen, das Stoffliche v0m Geformten, das Chaos von den<br />
ordnenden Kräften überw<strong>und</strong>en. In jedem liegt schon eine<br />
Abgrenzungegen die Tiefe, das Dunkle <strong>und</strong> Chaotische<br />
<strong>und</strong> damit eine Einordnung<br />
den Gesamtbau tles Kosmos.<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv