Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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t02<br />
Die Sprache<br />
Dorothea Tieck<br />
103<br />
vervollständigen. Noch der <strong>und</strong> jene individuelle Untstand<br />
muß hinzukornmen, das Bild zu schließen, abzur<strong>und</strong>en; <strong>und</strong><br />
schließlich ist es doch nur eiue neue Erweiterung <strong>und</strong> Verwandlung,<br />
<strong>und</strong> keine Begrenzung, weil alles Individuelle<br />
unerschöpflich ist. So scheint jede Brücke unmittelbarer,<br />
eindeutiger Verständigung von Geist <strong>und</strong> Geist in solcher<br />
Sprache abgebrochen zu sein, <strong>und</strong> nur ein unendlicher Weg<br />
durch alle Formen von Raurn <strong>und</strong> Stoff kann noch zu<br />
solchem Ziele führen. Wie anders bei Schiller. Seiner<br />
Sprache fehlt jeder vortastende, suchende Charakter. Man<br />
beachte, wie Schiller verkürzt <strong>und</strong> vereinfacht hat: ,,Doch<br />
wenn ihr wirklich Männer seid, <strong>und</strong> zwar an echter Mannheit<br />
nicht die allerletzten, s0 zeigt es jetzo! Rächet euch<br />
r<strong>und</strong> mich an einem Feinde, der uns gleich verhaßt ist."<br />
Schiller wirkt nicht durch die Masse, durch den iiberstürzenden<br />
Strom seiner Rede, er spricht wieder als Geist<br />
zum Geiste, wirkend durch die Kraft seines Ethos. In wenigen<br />
Worten umreißt er den Oedanken, der ktar ist <strong>und</strong><br />
eindeutig. Der Rationalismus - das habe ich bereits mehrnrals<br />
erwähnt, hier sei es abschließend noch einmal festgestellt<br />
- schafft die technische Voraussetzung seiner<br />
Sprache, er ernröglicht ihre flächenhafte Ordnung, die unverrückbar<br />
ist. Und diese festen Konturen füllt Schiller<br />
mit den harmonischen Farben seines klassischen. seines<br />
allgemei nrenschlichen, seirlesittlichen Empfindens. So<br />
wird nicht eine Sprache von Individuen, die, wie sie selbst<br />
von aller gemeinsamen Mitte als Wirklichkeiten gesondert<br />
sind, auch in ihrer Sprache dorthin keinenWeg mehr finden.<br />
Schillers Worte sind gerade der Ausdruck eines gemeinsamen<br />
Besitzes, sie sind für keinen Sache, für jeden Bekenntnis.<br />
ln dem unendlichen Weg vom Geist nach dem Stoff<br />
aus einem unerfüllbaren Drange, auch die Unendlichkeit<br />
<strong>des</strong> Geistes in Formen zu schließen <strong>und</strong> in Welt zu verwandeln,<br />
darin vollzieht sich die erste Spiegelung südlicher<br />
Renaissance in nordische Tiefen. Ein unendlicher Weg aus<br />
dem Stoff zurück nach dem Geiste ist Folge <strong>und</strong> Schicksal,<br />
ist barockes Streben, barocke Sehnsucht. In Shakespeares<br />
Cestalt ist bei<strong>des</strong>, Renaissance wie Barock, titanischer<br />
I(örper geworden. Schillers klassische Kunst ist nicht mehr<br />
Ausdruck solchen maßlosen Strebens. Sie hat gelernt, vor<br />
allen Tiefen <strong>und</strong> Abgründen <strong>des</strong> Oeistes <strong>und</strong> <strong>des</strong> Stoffes<br />
sich zu verschließen, <strong>und</strong> nur, was immer gültig <strong>und</strong> ewig<br />
bleibend, was Grenze <strong>und</strong> Maß besitzt, rnag in ihrem Reiche<br />
anschaulich werden. Eine Welt voll v;<strong>und</strong>erbarer Klarheit<br />
<strong>und</strong> Ordnung ersteht so vor unseren Augen, <strong>und</strong> nordischer<br />
Renaissance-Drang erklimnrt darin eine steile Höhe: er<br />
wird Fornr <strong>und</strong> Vollendung.<br />
D. Dorothea Tieck (Die Rorrrantik).<br />
Klassische Sprache macht Erlebnis zur Gestalt. Rorutantische<br />
Sprache sucht aus Gestalt <strong>und</strong> Form das <strong>Leben</strong><br />
zu lösen, die eine <strong>und</strong> unendliche Seele aller Dinge aus Umgrenzung<br />
<strong>und</strong> zuständlicher Vcrhaftung zu befreien. Das<br />
Bewegte, Schwebende, Tönende gegen das Geformte, Gcfestigte,<br />
Gemesserre, darin gipfelt ein erster Vergleich von<br />
Schiller <strong>und</strong> Tieck.<br />
Sch. IiVIII.<br />
Prinz von Cunrberland!<br />
Das ist ein Stein, der mir im Wege liegt,<br />
Den muß ich überspringen, oder ich stürze!<br />
Verhüllet, Sterne, euer hintmlisch Licht,<br />
Damit kein Tag in meinen Busen falle --<br />
Das Auge selber soll die Hand nicht sehen,<br />
Damit das Ungeheure kann geschehen!<br />
T. I/lV. Ha! Prinz von Cumberland!- Das ist ein Stein,<br />
Der muß, sonst fall' ich, übersprungen seyn,<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv