06.11.2013 Aufrufe

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

142 Rhythmus<br />

gestalten, nicht aber den notwendigenVorwärtsgang eines<br />

ganzen Shakespeareschen Dramas. Unsere erste Antwort<br />

findet sich hier ntit der zweiten: Von welcher Seite<br />

man auch an die Frage herangeht, immer zeigt sich das<br />

eine, daß Rhythmisierung im Sturm <strong>und</strong> Drang notwendig<br />

gleichbedeutend ist mit lyrischer Ö{fnung <strong>und</strong> Verinnerlichung,<br />

<strong>und</strong> das schließt der Objektivität, der stofflichen<br />

Greifbarkeit eines Shakespeareschen Drauras gegenüber die<br />

Negation der gestellten Aufgabe ein. Gerade der Vorschlag<br />

Herders, Shakespeare in freien Rhythmen zu übersetzen,<br />

deutet auf die ungeheure Kluft, welche die Zeiten trennt.<br />

Er bezeugt, daß die Stürmer, was Shakespeare als Anschauung<br />

<strong>und</strong> Welt schuf, als Seele spiegelten, dafJ sie, was<br />

bei Shakespear ein gewaltiges <strong>und</strong> gewaltsames Durchdringen<br />

von Stoffen mit den Impulsen seines <strong>Leben</strong>s<br />

war, erfaf3ten als freien Ausdruck <strong>und</strong> berauschte Verkündigung,<br />

Bürger hat allein die Hexenszenen rhythrnisch iibersetzt,<br />

<strong>und</strong> das ist leicht verständlich. Denn sie bedeuten das<br />

lyrisch phantastische Element inr gegenständlichen Rahncn<br />

der Tragödie.<br />

Sh. I/1. First Witch. V/hen shall we three meet again<br />

In th<strong>und</strong>er, lightning, or in rain?<br />

Sec. Witch. When the hurlyburly's done,<br />

When the battle's lost and won.<br />

Third Witch.That will be ere the set of sun.<br />

B. Erste Hexe. Na! Sagt wo man sich wiederfindt:<br />

In Donner, Blitz, o'r Sclrlackenvind?<br />

Zwcite Hcxc: Wann sich's ausgeturnmelt hat,<br />

Wann die Krah am Aase krrht.<br />

Drittc Hexe: Dauntenbreit vor Eulenflug<br />

Trcffen wir uns früh genLrg.<br />

Rhythmus 143<br />

Der klassische Mensch sucht im Flusse der Dinge das<br />

Bleibende, das Wesenhafte, das Dauernde. Er mißt die<br />

Zeit <strong>und</strong> hebt sie dadurch auf. Der fünffüßige Jambus, das<br />

dramatische Maß Schillers wie der Klassik überhaupt, bedeutet<br />

in klassischer Prägung die Reihung eines immergleichen<br />

Maßes. ,,Unsere gewöhnlichen deutschen Jamhen<strong>und</strong><br />

Trochäen-Verse bestehen im Sprechvortrag aus Spondeen<br />

- oder, wenn man lieber will - aus Phyrrichien; Zeitverhältnis<br />

l/1." (A. Heuslert)). Man höre bestätigend hiezu<br />

Schillers Verse:<br />

Wär es auch abgetan, wenn es getan ist,<br />

Dann wär es gut, es würde rasch getan !<br />

Man beachte, wie in solchem Maße sich Glied an Glied<br />

frei <strong>und</strong> in sich selbst geschlossen anreiht. Besonders deutlich<br />

wird das, wenn ich vorgreifend die Tiecksche Fassung der<br />

gleichen Stelle hier wiedergebe:<br />

Wär's abgetan, so wie's getan ist, dann wär's gut,<br />

Man tät es eilig.<br />

Wie sich hier im Gegensatzu Schiller dieWorte drängen !<br />

Von jener gelenkmäßigen Freiheit, von jener selbstsicheren<br />

Haltung je<strong>des</strong> Versfußes kann keine Rede mehr sein.<br />

Man erinnere sich zurück an das, was ich über die<br />

Sprache Schillers ausgeführt habe, <strong>und</strong> ntan wird erkennen,<br />

wie der sprachliche Charakter <strong>und</strong> der Charakter <strong>des</strong> Metrums<br />

sich ergänzen. Freilich ist das weder Absicht noch<br />

Zufall. Es ist schöpferische Notwendigkeit, erwacltsend<br />

aus der Einheit <strong>des</strong> künstlerischen Willens. Man stelle sich<br />

einmal rein theoretisch vor, rnit der zeitlosen Sprachc<br />

Schillers verbände sich ein zeithafter Rlrythtnr.rs. Wie vertrüge<br />

sich <strong>des</strong>sen kontinuierlicher Gang mit den abgeschlossenen<br />

Bildungen von Schillers Sprache, mit dent<br />

l) Dcrrtscherrncl arttikcr Vers. Straßbttrg 1917, S.47.<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!